Pressemitteilung

Vom Rand her denken

Von Sarah Vecera (ev.). Schon mal erlebt im Supermarkt an der Kasse: Der oder die vor euch hat nicht genug Geld für den Einkauf? Was macht man da? Weggucken, kommentieren, aushelfen?

  • 28.10.2025
  • Max Testermann (Redakteur)


Neulich an der Supermarktkasse. Vor mir eine Frau, zwei Kinder, Brot, Milch, Nudeln. Sie zählt Kleingeld, wird rot, legt die Trauben zurück. Hinter uns seufzt jemand demonstrativ. Ich merke, wie mir der Reflex hochkrabbelt, schnell „zu helfen“. Aber ich halte inne. Vielleicht braucht sie nicht mein Geld, sondern meinen Respekt. Dass niemand ihr Gesicht prüft, als wäre Armut ein Charakterfehler.

Ich frage mich manchmal: Wie würde Jesus heute reagieren? Der, der sich zu denen gesetzt hat, die am Rand standen. Der nicht nach Leistung sortiert hat, sondern nach Bedarf. Nicht nett-fromm, sondern unbequem klar.

Und dann höre ich Debatten über Sparmaßnahmen. Überraschung: Schuld sind wieder die, die am wenigsten haben – Bürgergeldempfängerinnen, Migrantinnen. Als könnte man Haushaltslöcher mit den Taschen derer stopfen, die gar keine haben. Das ist praktisch – und es lenkt ab. Von Strukturen. Von Vermögen, das sich oben sammelt. Von der Frage: Wo holen wir das Geld – und wo holen wir uns selbst die Würde?

Vielleicht fängt Würde damit an, dass wir unsere Reflexe prüfen: Wen mache ich kleiner, damit ich mich größer fühle? Und wenn Geld fehlt: Warum schauen wir reflexhaft nach unten statt nach oben?

Ich wünsche mir, dass wir Politik und Alltag vom Rand herdenken. z.B. aus der Sicht Alleinerziehender, Kinder in Armut, Menschen mit Behinderung, Wohnungslose, Geflüchtete. Reichtum heißt Verantwortung. Würde ist kein Nullsummenspiel. Wenn ich sie anderen abspreche, verliere ich meine eigene mit. Wenn ich die Würde der anderen dann gewinnen wir alle. In diesem Sinne: Bleiben Sie aufmerksam – für Menschen am Rand, für Worte nach unten und für Regeln, die ausschließen.

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Dies ist ein Beitrag der evangelischen Redaktion PEP für die Verkündigungssendung "Augenblick mal" im NRW-Lokalfunk. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: Julia-Rebecca Riedel | Ev. Rundfunkreferat NRW | Kirche im Privatfunk | Tel.: 0151 - 57417207 | Mail: riedel@rundfunkreferat-nrw.de
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