„Verwoben“: Heiligtumsfahrt Mönchengladbach

von Dr. Christof Beckmann

Freitag, 26.05.2023

Heiligtumsfahrt in Mönchengladbach - Foto: Carlos Albuquerque
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Heiligtumsfahrt in Mönchengladbach - Foto: Carlos Albuquerque

Morgen startet die Heiligtumsfahrt Mönchengladbach mit Straßenexerzitien, am Sonntag wird sie festlich eröffnet und läuft bis zum 4. Juni. Die über 1200 Jahren Schätze der alten Benediktinerabtei werden dort seit 1456 alle sieben Jahre öffentlich gezeigt.

INFO: Die Heiligtumsfahrt in Mönchengladbach findet vom 28. Mai bis 4. Juni 2023 statt. Das Gladbacher Münster öffnet seinen Abendmahlschrein und zeigt sein wichtigstes Heiligtum, ein 90 mal 20 Zentimeter großes, gestreiftes Leinentuch aus dem ersten Jahrhundert. Es wird als Abendmahlstuch verehrt und bringt seit über 500 Jahren Menschen im Namen Jesu zusammen. Zur Heiligtumsfahrt werden einige Tausend Pilgernde aus der Region erwartet, aber auch Gläubige aus Kolumbien und Singapur.

Seit 1594 findet die Heiligtumsfahrt in der Regel alle sieben Jahre statt. Das Organisationsteam kooperiert mit der Heiligtumsfahrt in Aachen (18. bis 28. Juni) und arbeitet eng mit den evangelischen Christen in Mönchengladbach zusammen. Die Geschäftsführung besteht aus vier Personen, die die Hauptarbeit für die Heiligtumsfahrt geleistet haben, dazu kommt ein Vorbereitungskreis aus 11 Haupt- und Ehrenamtlichen. Bei der Heiligtumsfahrt sind rund 100 Freiwillige aktiv, die dafür sorgen, dass alles reibungslos läuft. Ursprünglich sollte die Heiligtumsfahrt 2021 stattfinden, aber wegen der Corona-Pandemie musste sie um zwei Jahre auf 2023 verschoben werden. 

Das Leitwort 2023 lautet „verwoben“: Wenn man auf das Abendmahlstuch schaut, dann erkennt man deutlich die Webstruktur des Tuches. Somit fragt die Heiligtumsfahrt, wie sich Menschen über alle Konfessions- und Glaubensgrenzen hinaus in der Stadt und Gesellschaft verbinden können. „Unser zentrales Anliegen ist es, auf die Menschen zuzugehen, Fragen zu stellen, zuzuhören“, sagt die Geschäftsführerin Charlotte Lorenz. So sieht sich die Heiligtumsfahrt verwoben in der Ökumene, mit der Schöpfung, mit den eigenen Webfehlern der Kirche und verwoben in der Stadtgesellschaft Mönchengladbach. Dazu will sie sich in diesen Tagen noch stärker mit allen christlichen Geschwistern im Glauben verbinden, die Fragen der weltweit eng miteinander verwobenen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme aufgreifen, aber auch Fehler in der Kirche. An der Wiege des deutschen Sozialkatholizismus soll zudem über alle Konfessions- und Glaubensgrenzen hinaus das soziale Mönchengladbach thematisiert werden.

Programm-Highlights: Begleitet wird die Wallfahrt von einem umfangreichen Programm mit über 50 Veranstaltungen – Festkonzerten, Diskussionen, einem internationalen Gastmahl, Exerzitien, Aktionen für Kinder und Frauen, Gottesdiensten und auch Momenten der Ruhe.

  • Oberbürgermeister Felix Heinrichs und Propst Peter Blättler öffnen am Pfingstsonntag, 28. Mai, um 18 Uhr bei einer feierlichen Vesper den Abendmahlschrein. Der Münsterchor St. Vitus und Solisten singen die „Vesperae solennes de Domenica“ von Mozart. Am gleichen Abend singt der Newkammer-Chor das „Dettinger Te Deum“ von Händel.
  • Ein weiteres Highlight ist das „Internationale Gastmahl“ an einem langen Tisch vor dem Ernst-Christoffel-Haus, zu dem am Mittwoch, 31. Mai, jeder ein Brot aus seinem Herkunftsland mitbringen kann.
  • Am Donnerstag, 1. Juni, moderiert Borussia-Stadionsprecher Torsten Knippertz bei „MenschenGladbach“ eine Gesprächsrunde mit Bürgerinnen und Bürgern, die sich für Mönchengladbach engagieren.
  • Bei dem ökumenischen Festkonzert „Verleih uns Frieden“ in der Hauptkirche Rheydt singen der Münsterchor und die evangelische Kantorei am Freitag, 2. Juni, gemeinsam Friedensmusik von Händel und Mendelssohn Bartholdy.
  • Die Angela Puxi-Band setzt mit Jazz, Licht- und Wortimpulsen unter dem Titel „Münster im Licht – Madre e terra“ am Samstag, 3. Juni, ein Ausrufzeichen für Ökologie.
  • Bischof Helmut Dieser verschließt am Sonntag, 4. Juni, das Abendmahlstuch bei einer Festvesper wieder im Schrein, musikalisch begleitet von einem Chorprojekt aus der ganzen Region. Zur Einstimmung auf die Heiligtumsfahrt laden die Organisatoren bereits am Tag vor dem Start zu Straßenexerzitien in Form einer Entdeckungsreise durch Mönchengladbach ein. 

Schwerpunkt Jugend und Frauen: 800 Kinder und Jugendliche sind zu zahlreichen Programmpunkten angemeldet. Es gibt Projekttage für alle Altersgruppen und unter dem Motto „Komm, lass uns einen Schatz entdecken“ einen Kinderchortag am 3. Juni. Frauen sind zu einem interreligiösen Frühstück, Workshops und einer „Frauen-GottesFeier“ eingeladen. Zu dem gesamten Programm sind ausdrücklich alle Interessierte angesprochen, nicht nur Christinnen und Christen.


Zur Geschichte der Heiligtümer und der Heiligtumsfahrt: Die Gladbacher Gründungsgeschichte, im 11. Jahrhundert von einem unbekannten Mönch verfasst, weist die ersten Reliquien als Geschenke Karls des Großen (742 – 814) an die erste Kirche auf dem Gladbacher Hügel aus. Ob die Reliquie des heiligen Märtyrers Vitus von Rom über Paris und das Kloster Corvey an der Weser kam, ist zwar ungewiss, doch wurden sie in unsicheren Zeiten mit weiteren Reliquien von Cornelius, Cyprianus, Barbara und Chrysanthus in dem heutigen Osterleuchterfuß versteckt. Als der Kölner Erzbischof Gero 974 auf der Suche nach einem geeigneten Ort für eine Klostergründung in die mittlerweile verwüstete Kirche des Grafen Balderich kam, wurden sie wiederentdeckt. Die neu errichtete Benediktinerabtei Gladbach wurde durch Gero unter Abt Sandrad nach einer politischen Mission nach Byzanz mit einem großen Reliquienschatz ausgestattet. Erstmals um 1275 schriftlich dokumentiert, handelt sich u.a. um ein Stück Stoff, das als Teil vom Tischtuch des Abendmahlssaales gilt, sowie um ein Stück, das als Teil des Purpurmantels Jesu verehrt wurde, verschiedene Bruchstücke von Geschirren, die beim Abendmahl verwendet worden sein sollen. Hinzu kommen Textilien, die als Teile von Gewändern Mariens und des Evangelisten Johannes bezeichnet werden. Eine wichtige Rolle spielt auch das so genannte Haupt des hl. Laurentius, ein großes Stück von einer menschlichen Schädeldecke, das im 15. Jahrhundert zum ersten Mal schriftlich erwähnt wird. Ende des 16. Jahrhunderts entbrannte um diese Reliquie ein heftiger Streit mit König Philipp II. von Spanien, der nahe bei Madrid den „Escorial“ als Kirche, Kloster, Palast und Grabmal baute und dem hl. Laurentius weihte. Doch trotz päpstlicher Unterstützung gelang es ihm nicht, die Reliquie aus Gladbach zu erhalten, weil die Äbte ihren Schatz verteidigten.

Die jährliche öffentliche Zeigung der Heiligtümer ist 1456 bezeugt, 1594 ist für das Münster von einem siebenjährigen Rhythmus die Rede. 1797 fand die Heiligtumsfahrt zum letzten Mal statt: 1802 löste die Säkularisation das Kloster auf und die Reliquien wurden erst 1804 wieder in das Münster gebracht und 1824 gezeigt. 1867 nahm man mit erzbischöflicher Erlaubnis die Tradition der Heiligtumsfahrt wieder auf, Schritt für Schritt begann die Neubeschaffung kostbarer Behältnisse (Abendmahlsschein, Büste des hl. Vitus, Laurentiusbüste). Bis 1937 fand die Heiligtumsfahrt in siebenjährigem Turnus statt, 1944 legten die Bomben das Münster in Trümmer. Ab 1951 gab es wieder eine Heiligtumsfahrt.

Kontakt: Pfarre Sankt Vitus, Geschäftsstelle Heiligtumsfahrt 2023, Charlotte Lorenz, Abteistraße 37, 41061 Mönchengladbach, Tel. 0176 / 84 31 80 84
Fax 02161 / 46 23 32 00 charlotte.lorenz@pfarre-sankt-vitus.de. Aktuelle und ausführliche Informationen unter www.heiligtumsfahrt.de, Programm Heiligtumsfahrt Mönchengladbach zum Download.

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