80. Todestag der Lübecker Märtyrer

von Christof Beckmann

Freitag, 10.11.2023

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Motive: www.luebeckermaertyrer.de / Collage: KIP

Ihr Widerspruch gegen Diktatur und Verhöhnung der Menschenrechte hat seinen Preis. Vor 80 Jahren erfuhren drei katholische Priester und ein evangelischer Pastor von der Vollstreckung ihres Todesurteils. Ihr Schicksal verbindet sie auch mit Münster ...

INFO: Vor 80 Jahren, am 10.11.1943, wurden die „Lübecker Märtyrer“ im Hamburger Gefängnis am Holstenglacis mit dem Fallbeil hingerichtet. Die vier Geistliche, die in Münster studiert hatten, stehen bis heute für eine Ökumene des Widerstandes im Nationalsozialismus. Die ab 1939 an der Lübecker Hauptkirche Herz Jesu tätigen drei Kapläne Hermann Lange, Johannes Prassek, Eduard Müller und der evangelische Pastor Karl-Friedrich Stellbrink kamen durch gezielte Denunziationen ins Visier der Gestapo, wurden verhaftet und durchlitten eine lange und qualvolle Haftzeit im Lübecker Gefängnis am Burgtor, später in Hamburg.

Als herausragende Figur der Gruppe gilt der 1911 in einfachen Verhältnissen in Hamburg-Barmbek geborene Johannes Prassek. Er legte am Hamburger Johanneum 1931 das Abitur ab und ging zum Theologiestudium an die Jesuiten-Hochschule Sankt-Georgen in Frankfurt am Main. 1933 wechselte er nach Münster, 1935 ins Priesterseminar nach Osnabrück. Nach der Priesterweihe am 13. März 1937 im Dom zu Osnabrück und einer Vikarstelle im mecklenburgischen Wittenburg kam er 1939 an die Lübecker Pfarrei Herz-Jesu, wo er schnell einen guten Ruf als Prediger bekam. In Gesprächskreisen, insbesondere mit Soldaten, sprach er offen über den Nationalsozialismus, kirchenfeindliche Politik des Regimes, Krieg und Verhalten der Machthaber. Prassek lernte Polnisch für die verbotene Seelsorge an Zwangsarbeitern. Mit dem 17 Jahre älteren evangelischen Pastor Karl-Friedrich Stellbrink tauschte er ab Sommer 1941 Informationen über „feindliche“ Rundfunksender und verteilte Flugschriften – u.a. von Clemens August von Galen, Bischof von Münster. Ein Spitzel zeigte Prassek an, er kam am 18. Mai 1942 in das Marstall-Gefängnis des Burgkloster-Gebäudes und wartete mit Stellbrink und den ebenfalls verhafteten Kaplänen Hermann Lange und Eduard Müller über ein Jahr lang auf den Prozess, für den eine eigener Sonderkammer des sog. „Volksgerichtshofs“ zusammengestellt wurde. Aus seiner Gefangenschaft sind zahlreiche Briefe erhalten.

Schon lange vor Prozessbeginn stand ihr unter Ausschluss der Öffentlichkeit am 24. Juni 1943 gefälltes Todesurteil wegen „Vorbereitung zum Hochverrat, Rundfunkverbrechen, Zersetzung der Wehrkraft und landesverräterischer Feindbegünstigung“ fest. Hitler selbst hatte sich in den Prozess eingeschaltet und jedwede Rechtsmittel untersagt. Am Mittag des 10. Novembers erfuhren die Lübecker Märtyrer im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis von der Vollstreckung des Todesurteils um 18 Uhr. Interventionen und ein Gnadengesuch des Osnabrücker Bischofs Wilhelm Berning (1877–1955) beim Justizminister und beim Vizepräsidenten des Volksgerichtshofs waren erfolglos. Die vier Geistlichen starben im Abstand von vier Minuten durch das Fallbeil.

Das 2004 im Erzbistum Hamburg begonnene Seligsprechungsverfahren für die drei Kapläne Prassek, Müller und Lange wurde 2010 in Rom abgeschlossen, am 25. Juni 2011 wurden sie vor ihrem Wirkungsort, der katholischen Propsteikirche Herz Jesu in der Lübecker Altstadt, seliggesprochen, Pastor Stellbrink wurde dabei ehrenvoll erwähnt. Sie gelten in ihrem gemeinsamen Zeugnis für ihren Glauben als Beispiel wirklicher Ökumene.

Mehr: Die Internetseite www.luebeckermaertyrer.de versammelt Porträts der vier Geistlichen, ihre Abschiedsbriefe, eine Dokumentation der Seligsprechung, Texte, Predigten, Gedenkorte und Termine sowie Quellen zur tiefergehenden Information. Mehr auch auf Facebook: http://www.facebook.com/luebeckermaertyrer.

Veröffentlichung: Peter Voswinckel, Geführte Wege, Die Lübecker Märtyrer in Wort und Bild, Hamburg 3. Aufl. 2011.

Eine DVD „Widerstehen im Geiste Christi“ des Berliner Filmemachers Jürgen Hobrecht ist zu beziehen über die Polis-Film, Jürgen Hobrecht, Wörtherstr. 13, 10405 Berlin, Tel. 030 / 48 49 63 46, E-Mail polisfilm(bei)polis-film.de oder Fax 030 / 48 49 63 47. Preis: 12 € plus 3 € Versand. Mehr auch auf Facebook: http://www.facebook.com/luebeckermaertyrer.

Unser Gesprächspartner: Dr. Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg, geboren 1966 in Köln, studierte in Bonn und Regensburg Theologie, wurde von Erzbischof Meisner 1993 zum Priester geweiht und wechselte nach Kaplansjahren in Bergheim 1997 in die Ausbildung an das Bonner Theologenkonvikt. Seit 2003 war er in der Personalabteilung tätig, die er ab 2006 leitete. 2011 wurde er ins Domkapitel berufen und baute als Personalchef im Zuge des Missbrauchsskandals die Präventionsarbeit der Erzdiözese auf. Im März 2012 wurde Heße vom damaligen Kölner Kardinal Joachim Meisner zum Generalvikar ernannt, nach dessen Rücktritt im Februar 2014 vom Domkapitel zum Übergangsverwalter gewählt und startete in dieser Zeit eine Transparenzinitiative. Nach dem Limburger Finanzskandal legte er den Immobilienbesitz der Erzdiözese offen. 2015 wurde Heße zum dritten Erzbischof der 831 durch den Missionsbischof Ansgar errichteten und 1995 neu gegründeten Erzdiözese Hamburg berufen. Sie ist die jüngste und mit 32.654 Quadratkilometern flächenmäßig größte Diözese Deutschlands. Sie umfasst Hamburg, Schleswig-Holstein und den Landesteil Mecklenburg. Patron des Bistums ist der Hl. Ansgar, 831 der erste Erzbischof, Sitz des Bischofs ist der St. Marien-Dom in Hamburg-St. Georg. 397.000 Katholiken bilden mit rund 7 Prozent eine Bevölkerungsminderheit – auch wenn sich die Zahl der Katholiken im Nordbistum wegen Zuzügen gegen den Bundestrend erhöht hat. Mehr im Internet unter www.erzbistum-hamburg.de

Radio Vatikan widmet Radioakademie den Lübecker Märtyrern: Zum 80. Jahrestag ihrer Hinrichtung stehen die Lübecker Märtyrer im Mittelpunkt der aktuellen Radio-Akademie von Radio Vatikan. Sie ist eine Neuauflage der Sendereihe von Artur Fischer-Meny, die bereits im Juli 2011 zur Seligsprechung im Programm lief. Die einzelnen Folgen werden im November jeweils am Sonntagabend ausgestrahlt und sind ab 18 Uhr im Podcast abrufbar. Die vier Folgen versendet der „Verein der Freude von Radio Vatikan“ auch auf CD. Sie können gesammelt auf CD bestellt werden. Bestellung gegen eine Spende per Mail an cd@radiovatikan.de  oder postalisch an Radio Vatikan Versandstelle, Olbarg 2, 24145 Kiel.

Gedenken 2023 von Erzbistum und Nordkirche

Genau 80 Jahre nach dem Todesurteil erinnerten bereits das Erzbistum Hamburg und die Nordkirche an die „Lübecker Märtyrer“. Die Gedenkveranstaltung begannen am 24. Juni mit einer Kranzniederlegung an der Gedenkstätte am Holstenglacis und wurden mit weiteren dezentralen Veranstaltungen und einem ökumenischen Gottesdienst von Erzbischof Stefan Heße und Hauptpastor Alexander Röder im St. Marien-Dom fortgesetzt.

Gedenken in Lübeck:

Zum 80. Todestag, 10. November, laden die katholische Propsteigemeinde und die Evangelische Luther-Melanchthon-Gemeinde zu Gottesdiensten und besonderen Gedenkveranstaltungen in Lübeck ein. Neben einigen Ausstellungen, Vorträgen und Gesprächsrunden wird am Freitag, 10. November 2023 um 18 Uhr in der Propsteikirche Herz Jesu ein Pontifikalamt mit Erzbischof Dr. Stefan Heße gefeiert. Der Gottesdienst wird live aus der Herz Jesu-Kirche übertragen und kann auf www.erzbistum-hamburg.de eingesehen werden. Im Gedenken an die Lübecker Märtyrer wird täglich in der Krypta Herz der Herz Jesu Kirche eine Novene gebetet: Mi, 1.11., 12.30 Uhr / Do, 2.11., 20.00 Uhr / Fr, 3.11., 19.00 Uhr / Sa, 4.11., 19.00 Uhr, So, 5.11., 20.00 Uhr / Mo, 6.11., 19.00 Uhr / Di, 7.11., 19.00 Uhr / Mi, 8.11., 19.00 Uhr / Do, 9.11., 19.00 Uhr.
Kontakt: Katholische Propsteigemeinde Herz Jesu, Tel. 0451 / 70987 65, E-Mail: pfarrbuero@katholische-pfarrei-luebeck.de, Internet: www.luebeckermaertyrer.de; Evangelische Kirchengemeinde Luther-Melanchthon, Tel. 0451 / 20 34 798, E-Mail: buero@luther-melanchthon.de, Internet: www.gedenkstaette-lutherkirche.de

Gedenken in Hamburg:

Am Freitag, 10.11.2023 um 8.30 Uhr werden Schülerinnen und Schüler der Sankt Ansgar-Schule zusammen mit Erzbischof Stefan Heße am Gefängnis Holstenglacis einen Kranz niederlegen. In der St. Sophien Kirche (Weidestraße 53) wird am Freitag, 10.11.2023, im Gedenken an die Ermordung des Seligen Johannes Prassek eine Abendmesse um 18:00 Uhr gefeiert, im Gedenken an die Ermordung im Hamburger Gefängnis Holstenglacis in der Kirche Kleiner Michel (Michaelisstraße 5, Hamburg) am 12.11.2023 um 21 Uhr eine Ökumenische Vigil. Am Sonntag, 12.11.2023, feiert Weihbischof Horst Eberleich um 9.45 Uhr in der Pfarrei Seliger Johannes Prassek (Volksdorf) eine Heilige Messe mit Kranzniederlegung. Die Pfarrei veranstaltet zudem am Sonntag, 12. November, um 16 Uhr ein Konzert in der Gemeinde St. Bernard (Langenstücken 40). Unter anderem singen Chöre der Pfarrei das Requiem in d-Moll Opus 48 von Gabriel Fauré. Einstudiert wurden die Darbietungen auch von Anke Laumayer, einer Enkelin des Lübecker Märtyrers Karl Friedrich Stellbrink. Der Eintritt ist frei, es wird um eine Spende gebeten.

Gedenken in Neumünster:

Am Sonntag, 12. November 2023, um 11.30 Uhr wird ein Gottesdienst zum Gedenktag der Lübecker Märtyrer auch in der Pfarrei Seliger Eduard Müller in Neumünster gefeiert. Erzbischof Stefan Heße leitet den Gottesdienst und wird einen Kranz vor der Kirche an der Gedenktafel niederlegen.

Gedenken in Hagenow:

Mit einem Wandelkonzert am Sonntag, 12. November, in Hagenow soll an die Lübecker Märtyrer und die Schrecken der Reichspogromnacht erinnert werden. Das Wandelkonzert findet zwischen der St. Elisabeth-Kirche (Bahnhofstraße 35) und der Alten Synagoge (Hagenstraße 48) statt. Beginn ist um 14 Uhr in St. Elisabeth und um 17 Uhr in der Alten Synagoge. Zu hören ist Musik von Louis Lewandowski, Felix Mendelssohn Bartholdy und Max Bruch. Zwischen den Konzerten soll Zeit für Begegnung sein. Eintritt: 12 -15 Euro.

Freitag, 10.11.2023