Christ sein und zweifeln?
Donnerstag, 23.02.2017
"Tritt frisch auf, tu´s Maul auf, hör bald auf!" - Was wie eine Jobbeschreibung für Radiomoderatoren klingt, soll der Theologe Martin Luther im 16. Jahrhundert über das Predigen gesagt haben. Doch er hat uns noch mehr kluge Einsichten hinterlassen.
Luthers Botschaft kurz zusammengefasst: Die Menschen stehen nicht einem rächenden, zornigen Gott gegenüber, sondern einem gnädigen und gütigen Gott. Jürgen Marx fragt sich in seinem Beitrag, ob das heute überhaupt noch relevant ist. Denn im Gegensatz zu damals stellen sich viele Menschen die Frage, ob es überhaupt einen Gott gibt. Er hat darüber mit dem ehemaligen Politiker Heiner Geißler gesprochen.
Zum Weiterdenken: In seinem jüngsten Buch "Was müsste Luther heute sagen?" spart der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler nicht mit Kritik am Reformator. Auch den beiden großen Kirchen liest der 86jährige auf 288 Seiten die Leviten.
Statt den herrschenden Turbokapitalismus zu kritisieren und dagegen anzugehen, hätten evangelische wie katholische Kirche dessen Denken in Teilen übernommen und würden ihre eigenen Organisationen "kaputtsparen". Hier wünscht sich Geißler eine radikale Wende und nichts weniger, als dass sich beide Konfessionen wieder zu einer einzigen Kirche vereinen. Bald 500 Jahre Trennung seien genug. Gemeinsam könnten die Kirchen genug Kraft entfalten, um falsche wirtschaftspolitische Entwicklungen zu korrigieren und damit die Solidarität der Menschen untereinander zu stärken.
Martin Luther könne in dieser Hinsicht durchaus als Vorbild dienen, meint Heiner Geißler. Schließlich habe der Reformator mutig gegen den Machtanspruch und Einfluss der damaligen Kirche aufbegehrt und sei in seiner Kritik trotz aller Anfeindungen standhaft geblieben. Ein ähnliches Auftreten wünscht sich Geißler offenbar von den heutigen Kirchen, wenn es darum geht, gegenüber Wirtschaft oder Politik Position zu beziehen
"Was müsste Luther heute sagen?" von Heiner Geißler ist im Mai 2015 im Ullstein-Verlag erschienen. Das Buch umfasst 288 Seiten und kostet in der gebundenen Ausgabe 20 Euro.