DBK: Bilanz Bischofskonferenz

von Christof Beckmann

Donnerstag, 26.09.2024

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Heute bricht Papst Franziskus nach Belgien und Luxemburg auf. In beiden Ländern soll das Wort „Hoffnung“ eine große Rolle spielen. Mit welcher Hoffnung geht die Kirche in Deutschland in die Zukunft? Seit Montag haben dazu die deutschen Bischöfe getagt...

INFO: Vom 23. bis 26. September 2024 fand in Fulda turnusgemäß die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt. An ihr nahmen 61 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz aus den 27 deutschen (Erz-)Bistümern unter Leitung des Vorsitzenden, Bischof Dr. Georg Bätzing, teil. Als Gäste nahmen teil: Der Apostolische Nuntius, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, das Oberhaupt der lateinischen Christen des Heiligen Landes, Patriarch Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Prälat Pfarrer Jarosław Mrówczyński (Stellvertretender Generalsekretär der Polnischen Bischofskonferenz) und Weihbischof Jean-Pierre Batut (Toulouse/Frankreich).

Im Mittelpunkt der Beratungen stand die XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode im Oktober in Rom mit ihrem vorbereitenden Dokument (Instrumentum laboris). Die von der Deutschen Bischofskonferenz gewählten und die zusätzlich vom Papst ernannten bischöflichen Mitglieder der Synode aus Deutschland gaben einen Überblick zu den Erwartungen und Chancen der Synode: Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Felix Genn (Münster), Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Passau) und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen). Papst Franziskus wird die finale Phase der katholischen Weltsynode am Mittwoch, 2. Oktober, mit einem feierlichen Gottesdienst auf dem Petersplatz eröffnen. Knapp vier Wochen später, am 27. Oktober, feiert er die Abschlussmesse in etwas kleinerem Rahmen im Petersdom. Hauptthema der „Synode zur Synodalität“ sind neue Wege der Beratung und Entscheidungsfindung in der katholischen Kirche. Erstmals in der katholischen Kirchengeschichte werden dabei auch Frauen mit abstimmen, sie stellen etwa ein Siebtel der rund 380 Teilnehmenden. Die Beschlüsse der Synode werden am Ende dem Papst zur Entscheidung vorgelegt. Vor allem geht es in der Synode darum, wie die bisher zentralistisch von oben nach unten verlaufenden Entscheidungswege der Kirche durch neue Beratungsebenen und -methoden verändert werden können. Daran sollen neben Klerikern auch Laien, Personen ohne Weiheamt, beteiligt werden. Zugleich soll die Einheit der katholischen Weltkirche mit ihren 1,4 Milliarden Mitgliedern gewahrt bleiben. Einzelne strittige Themen wie die künftige Rolle von Frauen in der Kirche, sollen auf Wunsch von Papst Franziskus nicht von der Weltsynode beraten, sondern Expertengremien anvertraut werden. Diese sollen im nächsten Jahr tagen, wenn die Synode bereits beendet ist.

Weiteres zentrales Thema in Fulda war angesichts des Konflikts zwischen Israel und der radikalislamischen Terrorgruppe Hamas die Situation der Kirche im Nahen Osten. Darüber informierten am Mittwoch Patriarch Kardinal Pierbattista Pizzaballa OFM, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz (Paderborn), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten der Deutschen Bischofskonferenz und Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz.

Die Vollversammlung beschäftigte sich außerdem mit Fragen zur Polizeiseelsorge, dem Heiligen Jahr 2025 und der Zukunft der katholischen Theologie in Deutschland, der Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen im Gedenkjahr 2025 und mit einer Auswertung der XIII. internationalen Ministrantenwallfahrt nach Rom.

Dokumente:

 

Livestream: Alle Pressekonferenzen wurden im Livestream von katholisch.de angeboten und sind auch unter www.dbk.de und auf dem YouTube-Kanal der Deutschen Bischofskonferenz verfügbar. Weitere Informationen zur Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz auf der Internetseite www.dbk.de im Pressebereich sowie auf der Themenseite Vollversammlung. Social Media: facebook.com/dbk.de, twitter.com/dbk_online, youtube.com/c/DeutscheBischofskonferenz, instagram.com/bischofskonferenz

Weniger Mitglieder, weniger Geld, weniger Leistungen: „Tatsache ist, dass den meisten nichts fehlt, wenn sie ohne Religion und Glauben ihr Leben gestalten", erklärte Georg Bätzing am Montagabend im Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda. Gott als Begründung ethischer Entscheidungen und moralischen Handelns falle zunehmend weg. Doch müsse die Kirche vernehmbar bleiben und die Stimme gerade für die erheben, die übersehen werden und keine Lobby haben: „Die Rede von Gott und von der Verantwortung vor Gott darf nicht verstummen." Der Bischof zeigte sich überzeugt, dass auch eine säkulare Gesellschaft von christlichen Positionen profitiere, etwa bei den Debatten um Krieg und Frieden, um Migration, Klimaschutz oder um eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. Gleichzeitig wandte sich Bätzing gegen moralische Überheblichkeit. „Ich würde auch nie behaupten, dass unsere Orientierungsbeiträge zu wichtigen Fragen der Weisheit letzter Schluss seien."

Tatsächlich ist, wie bekannt, die Zahl der Christen in der deutschen Bevölkerung unter 50 Prozent gerutscht - die schleichende Entchristlichung der Gesellschaft ist offensichtlich. Allein im vergangenen Jahr waren in Deutschland mehr als 400 000 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten – etwas weniger als im Negativrekord-Jahr 2022. Damals hatten mehr als eine halbe Million Menschen der Kirche den Rücken gekehrt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben 84,7 Millionen Einwohner in Deutschland, 2023 besaßen rund 71,9 Millionen Einwohner die deutsche und 12,8 Millionen eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit, unter Letzteren rund zwei Millionen Katholiken. Wie die Broschüre „Katholische Kirche in Deutschland - Zahlen und Fakten 2023/24“ ausweist, zählt die kirchliche Statistik zählt rund 20,3 Millionen Mitglieder der katholischen und 18,6 Millionen Mitglieder der evangelischen Kirche. Zudem gehören in Deutschland rund 288.000 Personen den evangelischen Freikirchen und 369.000 anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften sowie rund 3,85 Millionen den orthodoxen Kirchen an. 48,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind entweder konfessionslos oder andersgläubig. Hierzu zählen beispielsweise die Angehörigen der beiden monotheistischen Religionen neben dem Christentum: die Muslime (zwischen 5,3 und 5,6 Millionen) und die Mitglieder der jüdischen Gemeinden (90.478).

Finanzielle Mittel erhalten die (Erz-)Bistümer in Deutschland hauptsächlich über die Kirchensteuer, eine gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder. Rechtliche Grundlage hierfür bilden die in das Grundgesetz von 1949 unverändert übernommenen Artikel der Weimarer Verfassung. Dort wird den Kirchen unter anderem das Recht zugesprochen, Steuern nach Maßgabe landesrechtlicher Bestimmungen zu erheben (WRV Art. 137,6). Die Kirchensteuer beträgt in der Regel neun Prozent der Lohnsteuer, der Einkommensteuer sowie der Kapitalertragsteuer (in Bayern und Baden-Württemberg acht Prozent). Sie wird über das staatliche Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben. Der Staat erhält für diesen Dienst etwa drei Prozent des Kirchensteueraufkommens. Menschen ohne eigenes Einkommen, z. B. Kinder und Jugendliche, Menschen mit geringer Rente oder Arbeitslose, zahlen keine Lohn- und Einkommensteuer und somit auch keine Kirchensteuer – insgesamt fast die Hälfte der Katholiken. Die Finanzkraft der (Erz-)Bistümer wird auch unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung nach den Ergebnissen einer Langfristprojektion über die Mitglieder- und Kirchensteuerentwicklung bis zum Jahr 2060 erheblich zurückgehen. Die Studie rechnet für die katholische Kirche insgesamt mit einem Rückgang der Kaufkraft von mindestens 50 Prozent bis zum Jahr 2060. Dieser Trend wird deutliche Auswirkungen auf die Arbeit in den (Erz-)Bistümern mit sich bringen. Weitere Erläuterungen auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz, Themenseite „Kirche und Geld“ und unter „Finanzinformationen im Überblick“.

Zudem liegt die Frage der Ablösung von sogenannten „Staatsleistungen“ an Kirchen auf dem Tisch: In Deutschland zahlen bis auf Hamburg und Bremen deshalb alle Bundesländer jährlich rund 600 Millionen Euro Dotationen (Zuwendungen) an die beiden großen Kirchen als Kompensation für überwiegend ab 1803 mit dem Reichsdeputationshauptschluss erfolgte Enteignungen. Damit verpflichtete sich der Staat zu „Pachtersatzleistungen“. Seitdem sichert er zum Teil die Besoldung des Klerus und kommt für bestimmte Baulasten auf. Die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz von 1949 haben diese Regelung übernommen, zugleich aber die Ablösung dieser Staatsleistungen angemahnt.

Zuletzt hatte die Bundesregierung für den Herbst ein Gesetz zur Beendigung der Staatsleistungen angekündigt. Die Zahlungen könnten gegen eine einmalige Entschädigung aufgehoben werden. Als Einmalzahlung wurde beispielsweise der zehnfache Jahresbetrag – derzeit also rund 5,5 Milliarden Euro – vorgeschlagen. Rechtsexperten halten eher das 20- oder 25-Fache der Jahresüberweisung als Einmalzahlung für erforderlich. Zahlen müssten die Länder, doch mehrere von ihnen haben Vorbehalte gegen einen solchen Schritt, weil sie den Kirchen dann Ablösesummen in Milliardenhöhe zahlen müssten.

Der Paderborner Moraltheologe Peter Schallenberg zeigte sich in dieser Woche für eine mögliche Ablösung von Staatsleistungen an die Kirchen aufgeschlossen – sie seien heutzutage kaum mehr vermittelbar, erklärte er in einem am Mittwoch auf der Plattform katholisch.de veröffentlichten Interview. „Ich könnte mir sogar vorstellen, das gesamte System der Kirchenfinanzierung auf neue Füße zu stellen - inklusive der Kirchensteuer“, so Schallenberg: „Als katholische Kirche könnten wir sicher auch mit anderen Finanzierungsformen wie etwa dem italienischen Modell gut leben.“ Dort müssen alle Steuerzahler 0,8 Prozent ihrer Einkommensteuer einem guten Zweck zuweisen. Am meisten profitierte davon bislang die katholische Kirche - zuletzt allerdings mit fallender Tendenz. Zur Wahrheit gehöre in jedem Fall: „Wenn die Kirche weniger Geld zur Verfügung hat, wird sie auch weniger Leistungen erbringen können“, gab der Theologe zu bedenken. „Und gerade im sozialen Bereich - bei der Bildung, im Gesundheitswesen oder der Palliativversorgung - profitiert der Staat bislang sehr vom Engagement der Kirchen als wichtiger Säule der freien Wohlfahrtspflege.“

Donnerstag, 26.09.2024