Der Wahrheit auf der Spur

von Peter Becker

Samstag, 03.01.2015

Birkenau
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Ein Bild gegen das Vergessen

Filme, die etwas mit dem Nationalsozialismus zu tun haben, sind meist schwer und wenig unterhaltsam. Dieser nicht, meint Peter Becker. Da geht es um einen Lehrer, den auch Sie in der Schule erlebt haben könnten.

Deutschland, Ende der 50er Jahre: Die Wirtschaft boomt, den Menschen geht es wieder gut und die Geschehnisse, die keine zwanzig Jahre zurückliegen, geraten langsam aber sicher in willkommene Vergessenheit. Eines Tages sorgt jedoch der Journalist Thomas Gnielka (André Szymanski) am Frankfurter Gericht für Aufruhr, als er einen ehemaligen Auschwitz-Wärter anzeigen will, den ein Freund auf einem Schulhof identifiziert hat und der jetzt als Lehrer offenbar unbehelligt durchs Lebens gehen kann. Der Journalist stößt mit seiner Forderung jedoch auf Ablehnung. Nur der junge Staatsanwalt Johann Radmann (Alexander Fehling) schenkt ihm Gehör und will die Vorgänge aufklären. Rückendeckung erhält er dabei vom Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Gert Voss), der ihm die Leitung der Ermittlungen überträgt. Radmann versinkt völlig in dem Fall und vernachlässigt darüber sein Privatleben. Selbst Marlene (Friederike Becht), die er gerade erst kennengelernt hat, vermag nicht auf ihn einzuwirken. Immer weiter schottet sich der junge Anwalt von seiner Umwelt ab, um das Labyrinth aus Verleugnung und Verdrängung aufzuarbeiten und ein Exempel zu statuieren.

"Augenblick mal!"-Autor Peter Becker ist davon überzeugt, dass die Geschehnisse im Nationalsozialismus nicht verdrängt werden dürfen. Er schreibt:

"Mich hat Auschwitz nie losgelassen. Schon als Schüler (Abitur 1963) habe ich mich darüber geärgert, dass unser Geschichtsunterricht bei der Weimarer Republik endete. Und noch schlimmer fand ich, dass all unsere kritischen Fragen an unsere Väter und Lehrer unbeantwortet blieben. Beispiel: Ich hatte 5 DM Taschengeld, ein Bier kostete 40 Pfennig. Das reichte nicht am Wochenende, um in der Altstadt ausgehen zu können. In unserer Stammkneipe konnte man gut „schnorren“, wenn man sich die Geschichten der älteren männlichen Gäste anhörte. Doch mit dem gesponserten Bierkonsum war es vorbei, sobald man die Frage stellte: "Und ihr habt nichts gewusst?“ Nur meine Mutter – kirchlich engagiert – erzählte oft unter Tränen, wie man in Dortmund in der Kristallnacht Möbel und Koffer aus Judenwohnungen geschmissen hat und wie man ihren Pfarrer, der sich in Dorstfeld in meiner Taufkirche kritisch von der Kanzel geäußert hatte, abführte und Menschen an der Laterne vor der Kirche aufhängte. Als Lehrer habe ich jahrzehntelang Schüler und Schülerinnen der Abschlussjahrgänge 10 unterrichtet. Doch trotz der Eindringlichkeit war mir das zu wenig. Ich musste da mal hin. Das habe ich getan. Nie hat mich etwas mehr erschüttert als das, was ich da gesehen habe. Und es waren ja nur Bilder und „Reste“. Doch mit ein wenig Vorstellungskraft war es weit mehr. Und ich kann nur jedem, der in die Versuchung gerät zu sagen: "Nun lass uns doch damit endlich aufhören!", raten: Fahr hin und überleg Dir dann, ob Du noch immer dieser Meinung bist!

Hier geht es zum Reisebericht von Peter Becker.

Samstag, 03.01.2015