Die kleine blaue Blume
Mittwoch, 06.05.2015
Ob die Eisheiligen wohl noch kommen? Oder schon vorbei sind? Jedenfalls die Blumen blühen – jeden Tag ein bisschen mehr. Aber nicht überall, stellte Margret Wand fest. Hier die kleine erlebte Geschichte:
Ich sitze auf der Bank und genieße die Sonne. Die meisten Gräber sind frisch bepflanzt. Direkt vor mir eins ganz ohne Schmuck. Der Stein steht schief. Die Einfassung an mehreren Stellen zerbröckelt. Trostlos! Eine junge Frau und ein kleines Mädchen kommen näher. Wahrscheinlich hat sie es gerade aus der gegenüber liegenden Grundschule abgeholt. Die beiden bleiben vor dem trostlosen Grab stehen. "Kinderstimme: Guck mal! Da blüht doch etwas!" ruft das Mädchen und zeigt auf eine Traubenhyazinthe, die sich zwischen Grabstein und Erde dem Licht entgegenstreckt.
"Die hat bestimmt der liebe Gott gepflanzt. Damit der Tote nicht mehr traurig ist. Weil das Grab doch sonst so leer aussieht. - Müssen wir die jetzt gießen?" Schon läuft sie zu der Stelle, wo die Gießkannen hängen. Die Mutter und ich schauen uns an – und lächeln. Wir widersprechen dem Kind nicht.
"Wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben."
So heißt es in der Bibel. Eine kleine Blume kann zum Symbol für Hoffnung werden – da, wo es sonst trostlos ist.