Düsenjets am Ort der Stille

von Stefan Klinkhammer

Freitag, 11.04.2025

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Collage: KIP-NRW

Viele fliegen jetzt in die Ferien, z.B. vom größten Flughafen NRWs, in Düsseldorf. Wer hätte gedacht, dass dort lange ein Ort strengsten Schweigens war. In unmittelbarer Nachbarschaft wurde vor 60 Jahren ein Kartäuserkloster gesprengt...

INFO: Sie sind der strengste Orden der katholischen Kirche und leben seit über 900 Jahren so zurückgezogen, dass sie von jeher ein Hauch des Geheimnisvollen umgibt. Die durch Bruno von Köln (*um 1030, +1101) gegründeten Kartäuser kennzeichnete eine außergewöhnliche Spiritualität – sie verstehen sich als „tot für die Welt“, um sich im Gebet ganz Gott zu widmen. Die Verbindung aus Einsiedler- und Gemeinschaftsleben folgt einem klar vorgegebenen Tagesablauf in meist völligem Schweigen. Der Wahlspruch der heute rund 400 Kartäuser in noch 21 Klöstern weltweit lautet „Stat crux dum volvitur orbis“ (Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht). Mutterkloster ist die „Große Kartause“ bei Grenoble in Frankreich. Die meisten Kartäuserkloster außerhalb Frankreichs, darunter alle 18 deutschen, fielen der Säkularisation zum Opfer. Der Kartäuserorden: https://chartreux.org/, Kartäuserklöster weltweit: https://chartreux.org/moines/de/kloster/

Die einzige heutige Kartause in Deutschland ist das 1964 gegründete Männerkloster Marienau in Baden-Württemberg. Sie geht zurück auf die 1869 in Unterrath bei Düsseldorf entstandene erste neue Kartause Maria Hain auf deutschem Boden. Der Orden hatte das auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Rittergut Hain im heutigen Düsseldorfer Stadtteildreieck Unterrath-Lichtenbroich-Lohausen mit zwei Chormönchen und zwei Laienbrüdern aus dem Kloster La Grande Chartreuse besiedelt. Im Verlauf des Kulturkampfes 1875 mussten sie es wieder verlassen und nahmen „Maria Hain“ 1890 wieder in Besitz. Die imponierend große Anlage mit ihren Gärten wurde 1908 von sieben Chormönchen bewohnt, im Jahre 1920 von 20 Chormönchen und fünf Laienbrüdern. Wegen der umfangreichen Armenfürsorge überstanden das Kloster und der Mönchskonvent die NS-Zeit unbeschadet. 

Ab 1946 leitete Pater Nikolaus Maria Kister den Konvent, der 17 Chormönche, einen zeitlichen Professbruder, 19 Brüder, drei Donaten und drei Postulanten zählte. Doch die Ausdehnung der Großstadt Düsseldorf und die Erweiterung des Flughafens in Lohausen störten die Stille. Der Konvent nahm Verhandlungen mit Stadt und Flughafenbetreiber auf und verkaufte die gesamte Anlage. Kein Stein sollte mehr an sie erinnern. In sechs Wochen bohrte der damals 25-jährige Sprengmeister Paul Schauf um die 1000 Löcher ins Mauerwerk. Hunderte Kilo Dynamit verwandelten am 15. Dezember 1964 um 15:41Uhr die Klosteranlage 73 Jahre nach ihrer Weihe am 28. August 1891 in einen riesigen Schutthaufen. Der Konvent zog in die seit 1962 neu gebaute Kartause Marienau bei Seibranz um, einen Ort der Raumschaft Bad Wurzach in Baden-Württemberg. Die Gebeine der verstorbenen Mönche wurden ebenfalls nach Marienau umgebettet.

Heute erinnert nur noch im Kartäuser-Park in Düsseldorf-Unterrath ein vom Düsseldorfer Bildhauer Karl-Heinz Klein hergestelltes Denkmal mit einer großen Bronzestatue eines Kartäusers an die Geschichte der Kartause Maria Hain, dazu sind einige Gegenstände in benachbarten Kirchen erhalten. Auf dem Gelände der ehemaligen Kartause befinden sich heute die Bauten der Frachtstraße des Flughafens der Halle 7, fast die komplette Halle acht mit der Bundespolizei und die Lärmschutzhalle für Probeläufe von Flugzeugen. Der Klostergarten ist Taxi-Warteplatz, darüber verlaufen die Autobahn A44 und der SkyTrain. Vom Grüngürtel, für den die Mönche unter anderem 10.000 Eichen pflanzten, sind nur noch einige Baumreste von der Wanheimer Straße und von der Frachttraße aus zu sehen – all dies ist nachzulesen in den Nachforschungen von Journalist und Zeitungsreporter Hans-Dieter Budde. 60 Jahre später suchte er in Büchern, Kirchenarchiven und Akten im Stadtarchiv. Seine Ergebnisse waren bis Mitte März 2025 in der Stadtteilbücherei Unterrath zu sehen. Das kleine Begleitbuch online unter https://hadibu.de/Das_verschwundene_Kloster.pdf

Freitag, 11.04.2025