Fundament: 75 Jahre Grundgesetz
Donnerstag, 23.05.2024
Hohe Literatur sei es nicht, sagen Kritiker. Und doch hat sich dieser fundamentale Rechtstext unseres Gemeinwesens längst bewährt. Vorausgegangen waren leidenschaftliche Debatten und heute wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt. ...
INFO: Am 23. Mai 2024 wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt. Dazu ist ein umfangreiches Programm in Berlin und Bonn mit hohem Besuch geplant. Alle sind eingeladen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält die zentrale Rede bei einem Staatsakt, zuvor nimmt er an einem ökumenischen Gottesdienst mit interreligiöser Beteiligung in der Sankt Marienkirche teil. Dieser Gottesdienst, bei dem der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Michael Gerber, und die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs, predigen, wird als Livestream auf dem YouTube-Kanal der Deutschen Bischofskonferenz angeboten.
Doppeljubiläum: Vom 24. bis 26. Mai soll zudem das Doppeljubiläum 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Friedliche Revolution mit einem dreitägigen Demokratiefests rund um Kanzleramt und Bundestag gefeiert werden. Geplant ist ein umfangreiches Programm, zu dem alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen sind. Hier wollen sich der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, das Bundesverfassungsgericht, der Bundeskanzler und die Bundesministerien präsentieren. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen nehmen ebenfalls teil. Der Bundespräsident wird am 26. Mai gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Demokratiefest im Rahmen von dessen Staatsbesuch in Deutschland besuchen.
In Bonn, wo das Grundgesetz am 23. Mai 1949 verkündet wurde, findet am 25. Mai parallel ein „Fest der Demokratie“ im ehemaligen Bundesviertel statt. Die Villa Hammerschmidt ist Teil der Veranstaltung: Bundespräsident Steinmeier lädt zum Tag der offenen Tür in seinen Bonner Amtssitz ein und begrüßt um 13 Uhr die Gäste auf der Hauptbühne.
Mehr im Internet: Das Berliner „Fest der Demokratie“, das Bonner „Fest der Demokratie“.
Das Grundgesetz: Das Grundgesetz wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges vom Parlamentarischen Rat in Bonn geschrieben und ist geprägt von der Erfahrung der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft. Es beginnt mit den Worten: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben. Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“ Mit dem Grundgesetz sollte eine Ordnung geschaffen werden, die Diktatur, Holocaust und einen Weltkrieg nie wieder zulässt. Am 23. Mai 1949 ist es mit Unterzeichnung und Verkündung in Bonn in Kraft getreten.
Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland enthält die wichtigsten Regeln für das Zusammenleben und ist so Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland:
Die Würde eines jeden Menschen steht am Beginn des Grundgesetzes. Sie zu schützen ist „die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, damit grundlegend und besitzt eine Ewigkeitsgarantie. Insgesamt ist das Grundgesetz ist allen anderen Gesetzen übergeordnet. Über die Einhaltung wacht das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
In 146 Artikeln sind die Grundrechte der deutschen Bürger, die Aufgaben von staatlichen Institutionen und andere Gesetze verankert. Die ersten 19 Artikel umfassen die Grundrechte. Darin steht zum Beispiel, dass jede Person das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat und dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Auch sichern die Grundrechte jeder und jedem Glaubens- und Religionsfreiheit wie auch Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu. Außerdem heißt es darin, dass Ehe und Familie unter einem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen und dass politisch Verfolgte ein Recht auf Asyl haben. Zudem begrenzt das Grundgesetz staatliche Machtausübung durch demokratische Kontrolle.
Mit dem Artikel 20 beginnt der Teil „Der Bund und die Länder“, der die Staatsform festlegt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, in dem alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Inzwischen orientieren sich viele junge Demokratien am deutschen Vorbild - in Europa, Lateinamerika, Afrika und Asien. Besonders großen Einfluss gewann die bundesrepublikanische Verfassungsordnung, als nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zahlreiche Staaten Ost- und Mitteleuropas daran anknüpften. Die ostdeutschen Bundesländer traten nach deutsch-deutschen wie auch internationalen Verhandlungen am 3. Oktober 1990 dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei. Dabei wurde mit der Wiedervereinigung die Präambel des Grundgesetzes verändert. Seit 1990 lautet sie: „Die Deutschen [...] haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.“
LINKS: Grundgesetz bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): https://www.bpb.de/shop/buecher/grundgesetz/; Grundgesetz beim Deutschen Bundestag (Taschenbuch): https://www.btg-bestellservice.de/informationsmaterial/42/anr10060000); Grundgesetz beim Deutschen Bundestag (Mini-Format): https://www.btg-bestellservice.de/informationsmaterial/42/anr10070000; Grundgesetz als Magazin: https://dasgrundgesetz.de/; Grundgesetz in Leichter Sprache (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/LeichteSprache/leichte-sprache-grundgesetz.html?nn=282388); Grundgesetz in Leichter Sprache (Netzwerk Leichte Sprache): https://www.leichte-sprache.org/wp-content/uploads/2018/01/Grund-Rechte-LS-Web-Version_16-06-15_barrierefrei-1.pdf; Ausstellung im Bundesrat in Bonn „Unser Grundgesetz“: https://www.hdg.de/haus-der-geschichte/historische-orte/unser-grundgesetz; Haus der Geschichte: https://www.hdg.de/haus-der-geschichte; Kartenspiel „Der Tugendvogel“: https://quararo.de/tugendvogel/; Kartenspiel der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern: https://politik-mv.de/2024/02/19/das-kartenspiel-zum-grundgesetz/)
Unser Gesprächspartner: Dr. Felix Genn, geboren am 6. März 1950 im rheinland-pfälzischen Burgbrohl, studierte nach Abitur am Kurfürst-Salentin-Gymnasium in Andernach 1969-1974 Theologie und Philosophie in Trier und Regensburg. Am 11. Juli 1976 wurde er im Trierer Dom zum Priester geweiht und Kaplan in Bad Kreuznach. 1978 Berufung zum Subregens, 1985 Spiritual des Bischöflichen Priesterseminars in Trier und Promotion zum Thema „Trinität und Amt bei Augustinus“. 1994 Ständiger Lehrbeauftragter für Christliche Spiritualität an der Theologischen Fakultät Trier, Leiter der Heilig-Rock-Wallfahrt 1996. 1997-1999 Regens am Studienhaus Sankt Lambert, wo sich Spätberufene ohne Abitur auf den Priesterberuf vorbereiten. Am 16. April 1999 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof für das Bistum Trier, Bischofsvikar für das Saarland, am 6. Juli 2003 als dritter Ruhrbischof des 1958 gegründeten Bistums Essen in sein Amt eingeführt und am 19. Dezember 2008 von Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Münster ernannt. Zum 9. März 2009 übernahm er die Leitung des Bistums. Mehr: www.bistum-muenster.de.