Heute: Welttag gegen Menschenhandel

von Christof Beckmann

Dienstag, 30.07.2024

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Fotos: KAB-Bezirksverband Coesfeld, Grafik The Global Report on Trafficking in Persons 2022 (GLOTIP), Collage KIP

Kirche muss Stimme sein für die, die keine Stimme haben – das fordert Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich immer wieder mit Nachdruck. Heute ist Welttag gegen Menschenhandel...

INFO: Menschenhandel ist ein schweres Verbrechen und eine schwere Verletzung der Menschenrechte. Tausende von Männern, Frauen und Kindern fallen jedes Jahr in die Hände von Menschenhändlern. Das UNODC, Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen (UNODC) unterstützt die Staaten im Rahmen des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Transnationale organisierte Kriminalität bei ihren Bemühungen, das Protokoll zur Verhinderung, Unterdrückung und Bestrafung des Menschenhandels umzusetzen. Es umfasst die durch Bedrohung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen von Zwang, von Entführung, Betrug, Täuschung und des Machtmissbrauchs zum Zweck der Ausbeutung durch Prostitution oder anderer Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Dienstleistungen, Sklaverei oder Praktiken, die der Sklaverei und Knechtschaft ähneln oder zur Entfernung von Organen. Mehr: https://www.un.org/en/observances/end-human-trafficking-day, https://www.unodc.org/unodc/en/endht/index.html

Internationaler Welttag gegen Menschenhandel 2024: „Hinterlassen Sie kein Kind im Kampf gegen Menschenhandel“ – das ist das Motto des diesjährigen „Internationalen Welttags gegen Menschenhandel„, der am 18.12.2013 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in seiner Resolution A/RES/68/192A/RES/68/192 („Improving the coordination of efforts against trafficking in persons“) ausgerufen und vor 10 Jahren erstmals am 30. Juli begangen wurde. Denn weltweit ist jedes dritte Opfer von Menschenhandel ein Kind. Die Mehrheit von ihnen sind Mädchen, die Zwangsarbeit, Zwang zur Kriminalität und Betteln, illegalen Adoptionen, sexuellem Missbrauch und Online-Missbrauch von Bildern ausgesetzte sind, einige werden auch in bewaffnete Gruppen rekrutiert.

Nach dem Globalen Bericht über den Menschenhandel (GLOTIP) des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) sind Kinder doppelt so häufig wie Erwachsene während des Menschenhandels Gewalt ausgeliefert. Zu den Gründen für Kinderhandel zählen Armut, unzureichende Unterstützung für unbegleitete Minderjährige angesichts steigender Migrations- und Flüchtlingsströme, bewaffnete Konflikte, dysfunktionale Familien und mangelnde elterliche Betreuung. Da der der Kampf gegen Kinderhandel bislang als nicht wirksam gesehen wird, fordert die UN umfassende Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene, um gefährdete Gruppen zu schützen und den Kinderopfern zu helfen. Die Staaten müssen dem Schutz von Kindern Priorität einräumen, Gesetze stärken, die Strafverfolgung verbessern und mehr Ressourcen zur Bekämpfung des Kinderhandels bereitstellen, präventive Maßnahmen sollten sich auf die Bekämpfung von Ursachen wie Armut und Ungleichheit konzentrieren. Besonderes Augenmerk sollte auf den Handel mit unbegleiteten Flüchtlingsminderjährigen gelegt werden. Die diesjährige Kampagne konzentriert sich darauf, das Bewusstsein für die Ursachen und Schwachstellen im Zusammenhang mit dem Kinderhandel zu schärfen. Das Symbol des „Blaue Herzen“ steht dabei für Solidarität mit den Opfern und die Kaltherzigkeit derer, die ihre Mitmenschen kaufen und verkaufen.

„Eine Welt Keine Sklaverei. Menschlich handeln statt Menschenhandel“: Als Kirche müssen wir Stimme sein für die, die keine Stimme haben - dazu hat Pfarrer Peter Kossen aus Lengerich beim Katholikentag in Erfurt mit Nachdruck aufgefordert. Beim Podium „Eine Welt Keine Sklaverei. Menschlich handeln statt Menschenhandel“, das am 31. Mai im Erfurter Theater stattfand, appellierte er an kirchliche Vertreterinnen und Vertreter, die vorhandene Infrastruktur zu nutzen, Räume für Arbeitsmigrantinnen und -migranten zu öffnen, Angebote zu schaffen und auf die Menschen zuzugehen. Die Kirche hat die nötigen Ressourcen dafür“, zeigte er sich überzeugt.

Der katholische Priester, der die Pfarrei Seliger Niels Stensen in Lengerich leitet und seit Jahren auf die prekäre Situation von Arbeitsmigranten in Deutschland aufmerksam macht, diskutierte beim Katholikentag unter anderem mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der EU-Parlamentarierin und Vorsitzenden des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Anna Cavazzini, sowie Dirk Bingener, Präsident des Hilfswerks missio“. Ebenfalls auf dem Podium saß die missio Projektpartnerin Sr. Rose Paite. Die Ordensfrau aus Indien berichtete von ihrer Arbeit für junge Mädchen und Frauen aus den Teegärten von Assam, die dort leicht Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel werden. Sr. Rose Paite befähigt sie mit ihren Ausbildungs- und Empowerment Kursen, nicht mehr länger Opfer zu sein Der Zugang zu Bildung bewahrt sie vor weiterem Menschenhandel“, betonte sie. „Es gibt Menschenhandel auch in Deutschland, das ist Realität“, verdeutlichte Kossen, der dem Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ in Lengerich vorsitzt, der Betroffene unter anderem in Rechtsfragen berät. Wir müssen solidarisch in die Welt schauen, aber auch vor der eigenen Haustür die Augen öffnen“, appellierte der Pfarrer. Entscheidend sei die Haltung, mit der man den Menschen begegne. „Die Polin hat nie einen Namen. Es wird nicht gesehen, dass hinter dieser Person eine Geschichte, eine Familie, ja Lebensträume stecken“, kritisierte er die fehlende Überschneidung der gesellschaftlichen Lebenswelten und gab Hinweise für das Handeln jedes Einzelnen: Hinschauen, ansprechen und zum Ausdruck bringen: Ich sehe dich“. Das kann jeder auch ohne dieselbe Sprache zu sprechen.

Unser Gesprächspartner: Peter Kossen, geboren 1968 in Wildeshausen, wuchs in Rechterfeld / Gemeinde Visbek auf. Nach dem Abitur 1988 am Gymnasium Antonianum in Vechta studierte er Theologie und Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und verbrachte ein Jahr an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Nach dem Diplom machte er sein praktisches „Gemeindejahr“ in St. Johannes in Recklinghausen-Suderwich und empfing am 26. Mai 1996 die Priesterweihe im St. Paulus Dom zu Münster. Es folgten fünf Jahre als Kaplan in Nordwalde St. Dionysius, dann drei Jahre in Münster St. Norbert und St. Thomas Morus. 2004 wurde er Pfarrer in Emmerich am Niederrhein, wurde 2010 Präses des Bezirksverbandes Kleve der KAB und engagierte sich aktiv für Mindestlöhne, ein bedingungsloses Grundeinkommen und gegen Leiharbeit und Werkverträge. 2011 wechselte er nach Vechta als Ständiger Vertreter des Offizials für den niedersächsischen Teil des Bistums Münster (Offizialatsbezirk Oldenburg). Seit 2000 ist Peter Kossen Mitglied des Priesterrats des Bistums Münster, war 2013 Vorsitzender des Landes-Caritasverbands Oldenburg und ging 2017 als leitender Pfarrer an die Pfarrgemeinde Seliger Niels Stensen in Lengerich. Wie in Vechta setzte er sich auch hier gegen Missstände bei Werkverträgen, Zeitarbeit und Unterbringung von Arbeitern ein. Im Mai 2019 stellte er den mit Fachleuten und Engagierten gegründeten Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“ vor, der Arbeitsmigranten bei der Durchsetzung ihrer Arbeitnehmerrechte stärken will. Dass das System der Werkverträge, der Dumpinglöhne und des Mietwuchers in dieser Branche öffentlich wahrgenommen und Schritt für Schritt abgeschafft wird, ist auch das Verdienst von Monsignore Peter Kossen, der 2020 mit dem Landesverdienstorden von NRW ausgezeichnet wurde.

Kontakt: Aktion Würde & Gerechtigkeit e.V., Rahestraße 29, 49525 Lengerich, Tel. 05481 / 3089904, mobil: 01520–8984090, Mail: office@wuerde-gerechtigkeit.de. Vereinszweck der 2019 in Lengerich gegründeten Aktion Würde und Gerechtigkeit ist „die Förderung der Hilfe für Zuwanderer, die Opfer von Arbeitsausbeutung, Straftaten und Unfällen wurden, sowie insbesondere die Schaffung, Wahrung und Durchsetzung der Rechte der Betroffenen“. Internet: https://www.wuerde-gerechtigkeit.de/

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