Nahostkrieg: So viel Leid und Hass auf allen Seiten
Montag, 07.10.2024
Am 7. Oktober jährt sich der brutale Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel. Der Jerusalemer Kardinal Pizzaballa sieht derzeit kaum Signale für Frieden. Eindringlich kritisiert auch der Paderborner Erzbischof Bentz die humanitäre Lage im Gazastreifen.
INFO: Die katholische EU-Bischofskommission (COMECE) zeigt sich tief besorgt über die Lage im Nahen Osten und ruft alle beteiligten Seiten zu einem sofortigen Waffenstillstand auf. Derzeit berge jeder Tag neue Risiken für eine Eskalation des Konflikts in der gesamten Region, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung des COMECE-Vorsitzenden Bischof Mariano Crociata. Leben und Würde tausender Menschen seien gefährdet. Seit dem tragischen Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe der Nahe Osten zerstörerische Gewalt, eine tiefe humanitäre Krise und unfassbares menschliches Leid erlebt. Er warnte vor einer „gefährlichen politischen Dynamik in der Region mit einer wachsenden Zahl von Akteuren“.
Die Erklärung verurteilt - auch mit Blick auf die Lage in Europa - Antisemitismus und Radikalisierung sowie „Akte des gewalttätigen Extremismus und Terrorismus“. Crociata erinnerte auch an die Friedensappelle von Papst Franziskus. „Wir rufen auf zu einem sofortigen Waffenstillstand an allen Fronten und zum Respekt vor dem humanitären Völkerrecht.“ Insbesondere Zivilisten, Krankenhäuser, Schulen und religiöse Stätten seien zu schützen, alle Geiseln müssten freigelassen werden. Die EU forderte der COMECE-Präsident auf, auf einen Dialog der Konfliktparteien zu drängen und neue diplomatische Bemühungen für eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und den Palästinensern mit einem Sonderstatus für die Stadt Jerusalem zu starten. „Wir laden alle Menschen guten Willens ein, sich dem Aufruf von Papst Franziskus anzuschließen, Montag, den 7. Oktober, als Tag des Gebets und des Fastens für den Frieden in der Welt zu begehen.“ (KNA)
Papst ruft Fasten- und Gebetstag für Frieden aus: Am Montag, 7. Oktober, ist die kirchliche Gemeinschaft aufgerufen, „einen Tag des Gebets und des Fastens für den Frieden in der Welt zu begehen“. Das hatte Papst Franziskus bei der Messe zur Synodeneröffnung am Mittwoch angekündigt. Am Sonntag betete er selbst mit den Synodenteilnehmern in der Basilika S. M. Maggiore den Rosenkranz zu beten und „eine herzliche Bitte an die Jungfrau“ zu richten: „Brüder und Schwestern, lasst uns diesen kirchlichen Weg mit Blick auf die Welt fortsetzen, denn die christliche Gemeinschaft steht immer im Dienst der Menschheit, um allen die Freude des Evangeliums zu verkünden. Wir brauchen das, besonders in dieser dramatischen Stunde unserer Geschichte, in der die Winde des Krieges und die Feuer der Gewalt weiterhin ganze Völker und Nationen verwüsten“, betonte der Papst zum Abschluss seiner Predigt bei der Messe, mit der am 2. Oktober die Synode feierlich eröffnet wurde.
Friedensappell des katholischen Patriarchen von Jerusalem: Am 7. Oktober jährt sich der brutale Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel. Der Jerusalemer Kardinal Pizzaballa, Oberhaupt der lateinischen Christen des Heiligen Landes in den Ländern Israel, Palästina, Jordanien und Zypern, sieht derzeit kaum Signale für Frieden. Er vermisse im Nahostkonflikt Initiativen der Religionen vor Ort, sagte er bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda: „Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben wir in den letzten Monaten keine Reden, Überlegungen oder Gebete von religiösen Führern gehört, die sich von denen anderer politischer oder gesellschaftlicher Führer unterscheiden.“ Er habe den Eindruck, jeder von ihnen spreche nur aus der Perspektive seiner eigenen Gemeinschaft, die oft gegen die jeweils andere Seite gerichtet sei und rief zu einer sorgfältigeren Sprache auf: „Eine mit Gewalt, Aggressionen, Hass und Verachtung, Ablehnung und Ausschließung beladene Sprache spielt in diesem Krieg keine Nebenrolle, sondern ist eines der Hauptwerkzeuge in diesem und allzu vielen anderen Kriegen.“ Auch in sozialen Medien werde vielfach Hass geschürt, sagte der gebürtige Italiener. Formulierungen, die die Menschlichkeit der Mitmenschen verneinten, seien eine Form der Gewalt, die weitere Gewalt ermögliche. „Dabei handelt es sich um Formulierungen, die möglicherweise noch mehr verletzen als Massaker und Bomben.“ Pizzaballa zeigte sich skeptisch hinsichtlich der Verhandlungen für eine Freilassung von Geiseln, die die Hamas genommen hatte: „Die Anzeichen für eine erfolgreiche Beendigung der Verhandlungen sind sehr schwach.“ Ein Ende des Konflikts sei nicht in Sicht. Angriffe der israelischen Armee auf Stellungen der Hisbollah im Libanon könne den Konflikt nicht lösen, sondern nur verschärfen: „Gewalt ist keine Lösung.“ Stattdessen seien kreative politische Lösungen gefragt. Eine Ein-Staaten-Lösung mit Israelis und Palästinensern halte er allerdings nicht für machbar.
Eindringlich kritisiert auch der Paderborner Erzbischof Dr. Udo Bentz die humanitäre Lage im Gazastreifen. „Auch wenn ein Ende des Krieges noch lange keinen Frieden bedeutet, ist es das Gebot der Stunde, die Waffen niederzulegen und Deeskalation, Verhandlung und Dialog Raum zu geben. Andernfalls geht das Blutbad immer weiter, und die Spirale der Gewalt dreht sich noch schneller“, erklärte der Vorsitzende der bischöflichen Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten. Das Eintreten für die Sicherheit Israels diene auch den Palästinensern. Umgekehrt diene auch das Eintreten für die Rechte der Palästinenser der Sicherheit Israels. Eindringlich kritisierte der Erzbischof die humanitäre Lage im Gazastreifen. Dort hungerten Hunderttausende Menschen, mehr als 85 Prozent der Bevölkerung seien auf der Flucht. „Die Bedingungen sind katastrophal. Es fehlt vor allem an Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten.“ Bentz appelliert an die Bürger in Deutschland, mit Spendengeldern die schwierige Arbeit der Hilfsorganisationen in Gaza weiter zu unterstützen. Kirchliche Organisationen wie Caritas international und Malteser blieben aktiv, erhielten derzeit aber nur wenige Spendenmittel. An die Bundesregierung appellierte er: „Der Druck auf die israelische Regierung muss erhöht werden, damit die Menschen im Gazastreifen vollen Zugang zu den Hilfsgütern und zu medizinischer Versorgung erhalten.“
Besonders betroffen von den Luftschlägen aus Isreal sind der Süden des Libanons, die nördliche Bekaa-Ebene und der Süden der Hauptstadt Beirut. Christliche Diözesen, Pfarreien, Schulen und Klöster leisten dort Hilfen für Menschen in Not. Sie nehmen Geflüchtete auf, verteilten Essen, Getränke und leisteten medizinische Erstversorgung, so der Leiter einer missio-Partnerorganisation der katholischen Hilfsorganisation missio Aachen in Beirut.
Statements aus dem Pressegespräch „Flächenbrand im Nahen Osten: Zur Situation der Christinnen und Christen im Heiligen Land“ am 25.09.2024:
- Herbst-Vollversammlung – Pressegespräch zum Thema „Flächenbrand im Nahen Osten: Zur Situation der Christinnen und Christen im Heiligen Land“
- 25.09.2024: Statement von Kardinal Pierbattista Pizzaballa OFM, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, im Pressegespräch „Flächenbrand im Nahen Osten: Zur Situation der Christinnen und Christen im Heiligen Land“
- 25.09.2024: Statement von Bischof Dr. Bertram Meier, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, im Pressegespräch „Flächenbrand im Nahen Osten: Zur Situation der Christinnen und Christen im Heiligen Land“
- 25.09.2024: Statement von Erzbischof Dr. Udo Bentz, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten, im Pressegespräch „Flächenbrand im Nahen Osten: Zur Situation der Christinnen und Christen im Heiligen Land
EKD und Deutsche Bischofskonferenz erinnern an den Terrorüberfall vom 7. Oktober 2023
Am 7. Oktober 2024 jährt sich erstmals der Tag des Terrorüberfalls der Hamas auf den Staat Israel. Dazu erklären am 04.10.2024 die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing:
„Mit großer Sorge blicken wir auf die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten, die am Dienstagabend (1. Oktober 2024) mit dem massiven Raketenbeschuss aus dem Iran auf Israel eine neue Stufe erreicht hat. Am kommenden Montag (7. Oktober 2024) jähren sich die Terrorangriffe der Hamas auf Israel, bei denen mindestens 1.200 Menschen – die meisten von ihnen Jüdinnen und Juden – ermordet und mehr als 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Viele der Geiseln wurden inzwischen getötet oder sind in der Gefangenschaft verstorben. Über hundert von ihnen werden noch immer festgehalten und ihr Überleben ist bis heute ungewiss. Dieser Terrorakt war ein beispielloser Angriff auf Israels Bevölkerung und die Sicherheit des Landes, in dessen Folge Israel sein Recht auf Selbstverteidigung geltend machte und mit aller Entschlossenheit reagierte. So sehr dies verständlich und prinzipiell berechtigt war, kommt man jedoch nicht umhin festzustellen, dass die militärische Reaktion Israels und die folgenden Kämpfe im Gazastreifen zehntausenden palästinensischen Zivilisten den Tod gebracht haben. Fast zwei Millionen Menschen wurden innerhalb des Gebiets vertrieben, Hunderttausende sind mit akuter Nahrungsmittelknappheit konfrontiert. Auch aufseiten der Palästinenser ist das menschliche Elend erschütternd. Der Raketenbeschuss aus dem Iran auf Israel zeigt die dramatische Entwicklung und die Gewaltspirale in der Region, die inzwischen auch den Libanon ergriffen hat.
Wir stehen an der Seite der Menschen in Israel, die um ihre Sicherheit bangen und auf die Befreiung der Geiseln hoffen. Wir stehen an der Seite der Juden, die seit dem 7. Oktober 2023 weltweit – leider auch hierzulande – mit antisemitischen Übergriffen konfrontiert sind. Uns allen steht ebenso das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung vor Augen: im Gaza-Gebiet, aber auch im Westjordanland, wo viele den Übergriffen radikaler Siedler ausgeliefert sind.
Und wir fühlen uns den Menschen im Libanon nahe, die Opfer der Auseinandersetzung zwischen Israel und der terroristischen Hisbollah werden.
Wir bitten Gott inständig um Frieden für diese schwergezeichnete Region, die Juden, Christen und Muslimen heilig ist. Wir hoffen und beten, dass die Waffen auf allen Seiten zum Schweigen kommen, dass Konflikte ohne Gewalt ausgetragen werden und die Geiseln nach Hause kommen. Wir beten dafür, dass alle politische Weisheit und Kraft in politische Lösungen investiert wird, die den Menschen im Nahen Osten ein Leben in Sicherheit und Frieden ermöglichen. Wir dürfen uns nicht abfinden mit dem massenhaften Sterben, mit Terrorismus und Gewalt."