Oktoberfest mit Vorbildcharakter

von Stefan Klinkhammer

Montag, 23.09.2024

Buchcover: Rainer Maria Schießler, „Wiesn-Glück. Eine Liebeserklärung“, Droemer Knaur
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Buchcover: Rainer Maria Schießler, „Wiesn-Glück. Eine Liebeserklärung“, Droemer Knaur

Bis zum 6. Oktober werden sich bald auch viele aus NRW auf den Weg Richtung Süden machen: Zum 189. Oktoberfest. Der Münchner Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler hat jahrelang dort gekellnert und findet, das Fest hat auch Vorbildcharakter …

INFO: Das Münchner Oktoberfest steht vor der Tür. Der Münchner Stadtpfarrer Rainer Maria Schießler kennt das bunte Treiben auf der „Wiesn" und sieht den Sicherheitsaspekt nach Solingen noch mehr im Fokus. Das Miteinander auf dem größten Volksfest der Welt habe für ihn immer Vorbildcharakter gehabt: Die Menschen begegneten dort einander und alle Schranken fielen, sagte Schießler dem Kölner Portal domradio.de. Da sei es völlig wurscht, „ob der Vorstandsvorsitzende mit der Sekretärin auf der Bierbank steht oder ob der Tourist aus Neuseeland und Italien da auf einmal miteinander können“. Seiner Ansicht nach wäre das etwas, was man wieder lernen müsste: „Wieder neu aufeinander zuzugehen.“ Dabei sei Zuhören die Voraussetzung für ein Gespräch. Schießler hat auf dem Münchner Oktoberfest insgesamt zehn Jahre lang, von 2006 bis 2012 sowie von 2015 bis 2018, im Festzelt der Familie Schottenhamel als Kellner gearbeitet. Auf die Frage, was er dabei gelernt habe, sagte er: „Dass mir Menschen, die feiern, tausendmal lieber sind als andere, die irgendwelche Pläne spinnen oder - wie wir es zurzeit erleben - politische Eskapaden lostreten.“ Schießler erinnerte außerdem daran, dass es seit dem Oktoberfestattentat von 1980 immer der große Wunsch aller Beteiligten gewesen sei, dass das Fest friedlich bleibe. Gefühle der Unsicherheit dürfe man aber nicht zulassen, sagte der Pfarrer. Man solle auf das Oktoberfest gehen, weil man das Leben feiere. „Es ist ja nicht nur auf der Wiesn so, sondern in vielen Orten unseres Leben, ob im Fußballstadion oder bei einem Konzert. Alles kann passieren.“ Wenn man diesen Gedanken habe, dann müsse man sich zu Hause einschließen.

Das 189. Oktoberfest: Vom 21. September bis 6. Oktober findet auf der Theresienwiese in München das größte Volksfest der Welt statt. Beim 189. Oktoberfest wird dieses Jahr 16 Tage lang gefeiert. Auftakt war am 21. September der große Einzug der Wiesnwirte mit ihren festlich geschmückten Brauereigespannen und der traditionelle Fassanstich durch Oberbürgermeister Dieter Reiter in der Schottenhamel-Festhalle. Am Mittwoch, 25. September, sind die Schausteller und Wiesngäste eingeladen, im Marstall-Festzelt gemeinsam für eine friedliche Wiesn zu beten: Der Wiesn-Gottesdienst ist eine feste Tradition auf dem Münchner Oktoberfest und wurde erstmals 1956 vom Leiter der Katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge Pater Heinz Peter Schönig abgehalten. Der Gottesdienst ist ökumenisch und wird von katholischen und evangelischen Pfarrern geleitet. Es wird der verstorbenen Schausteller, Marktkaufleuten und Wiesnwirte gedacht und bietet die Möglichkeit zur Taufe, Erstkommunion und Firmung ihrer Kinder. Der Gottesdienst ist frei zugänglich und richtet sich auch an die Besucher des Oktoberfests. Von 1956 bis 2013 war das Hippodrom Veranstaltungsort. Im Jahr 2014 wurde der Gottesdienst in der Fischer-Vroni abgehalten. Seit 2015 hat er einen neuen Stammplatz im Marstall-Festzelt gefunden. Gemeinsam wird hier für eine friedliche Wiesn gebetet.

Das Festgelände erstreckt sich über eine Fläche von 34,5 Hektar, 927 Betriebe haben sich beworben. 470 Betriebe wurden in diesem Jahr zugelassen, darunter 153 aus der Gastronomie, 123 Schaustellergeschäfte, 194 Marktkaufleute sowie mehrere Servicebetriebe. Auf der Oidn Wiesn hatten sich dieses Jahr 101 Betriebe beworben. 41 wurden zugelassen, davon 18 gastronomische Betriebe und 23 Schaustellergeschäfte. Die Preise für eine Maß Bier haben im Vergleich weiter deutlich angezogen: Sie variieren nach angaben der Landeshauptstadt München, Referat für Arbeit und Wirtschaft, zwischen 13,60 und 15,30 Euro (2023 zwischen 12,60€ und 14,90€). Inzwischen gibt es immerhin auch zehn Brunnen mit kostenlosem Trinkwasser auf dem Gelände. Traditionell findet am zweiten Wiesnsonntag, 29. September 2024, das große Platz- oder Standkonzert der Wiesnwirte zu Füßen der Bavaria statt. Die Kapellen aller Festzelte spielen ab 11 Uhr gemeinsam auf und bieten den Wiesnbesuchern kostenlos ein bayerisches Konzert, mit prominenten Dirigenten. Einen spektakulären Abschluss bildet die vom Publikum gerne lauthals mitgesungene Bayernhymne.

Am Anfang der Tradition, aus dem sich das Volksfest entwickelte, stand 1810 ein Pferderennen zu Ehren der Hochzeit des bayerischen Kronprinzen und späteren Königs Ludwig I. mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. 50.000 Besucher aus Bayern kamen damals am 17. Oktober auf das Gelände vor den Toren Münchens. 18 Minuten dauerte das Rennen. Seitdem findet das Volksfest normalerweise jährlich statt und weil das Wetter im Oktober meist schon kühler war, ließ man seit 1872 das Oktoberfest schon im September beginnen - und zwar immer am ersten Samstag nach dem 15. September bis zum ersten Sonntag im Oktober. Spitzenreiter der Gäste aus dem Ausland sind Amerikaner und Briten. Das Oktoberfestbier wird eigens für die Wiesn von sechs Münchner Brauereien hergestellt, und nur Augustiner, Hofbräu, Hacker-Pschorr, Löwenbräu, Paulaner und Spaten dürfen die Wirte beliefern. Das Festbier muss eine Stammwürze von mindestens 13,6 % aufweisen, nur auf dem Gebiet der Stadt München darf gebraut werden und es gilt das Münchner Reinheitsgebot von 1487.

Organisation und Veranstaltungsleitung: Festleitung Landeshauptstadt München, Referat für Arbeit und Wirtschaft, Fachbereich Veranstaltungen, E-Mail: veranstaltungen.raw@muenchen.de. Internet: https://www.oktoberfest.de/.

„Wiesn-Glück. Eine Liebeserklärung“: Unter dem Titel „Wiesn-Glück“ hat der Münchner katholische Pfarrer Rainer Maria Schießler im vergangenen Jahr eine persönliche Liebeserklärung an das Oktoberfest verfasst. Insgesamt zehn Jahre, wenn auch mit einer dreijährigen Unterbrechung, nutzte er seinen Urlaub, um auf dem größten Volksfest der Welt in München als Bedienung zu arbeiten. Was die Wiesn ihm von Kindheit an bis zum Erwachsenenalter bedeutete, welche Erlebnisse er als „Hochwürden“ in Zelt und Garten mit Mitarbeitern und Besuchern machte, ist in seinem Buch nachzulesen. Ausführlich schildert Schießler den knochenharten Job und welcher Teamgeist unter jenen herrscht, die arbeiten, damit andere feiern können. Langjährige ehemalige Wiesn-Kolleginnen von Schießler kommen ebenfalls zu Wort. Der Pfarrer, ein Münchner Original, war von 2006 bis 2012 sowie von 2015 bis 2018 auf dem Oktoberfest tätig. Seinen Verdienst spendete er jedes Mal für einen wohltätigen Zweck.
Das Buch: Rainer Maria Schießler, „Wiesn-Glück. Eine Liebeserklärung“, Verlag bene! bei Droemer Knaur, München 2022, 176 Seiten, 16 Euro, ISBN: 978-3-96340-255-5.

Unser Gesprächspartner: Pfarrer Rainer Maria Schießler, geboren 1960, ist katholischer Pfarrer. Durch seine unkonventionelle Art und medienwirksame Aktionen gehört er zu Deutschlands bekanntesten Kirchenmännern. Seine Bücher „Himmel, Herrgott, Sakrament“, „Jessas, Maria und Josef“, „Die Schießler-Bibel“, „Wiesn-Glück. Eine Liebeserklärung“ oder zuletzt „Im Fußball-Himmel!“ wurden zu Bestsellern. Sein Anliegen: Mit zugespitzten Appellen aufrütteln und für eine lebhafte, engagierte Kirche eintreten. Seit 1993 ist er Pfarrer in St. Maximilian in München.

Gemeinsames Wort der Kirchen
zur Interkulturellen Woche 2024

In diesem Jahr findet vom 22. bis 29. September die 49. Interkulturelle Woche statt. Sie ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Die Interkulturelle Woche steht wie im vergangenen Jahr unter dem Leitthema „Neue Räume“. Zu ihr laden der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, die amtierende Vorsitzende des Rates der EKD, Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos, in einem Gemeinsamen Wort ein.

Im Mittelpunkt des Wortes erinnern die Kirchen an das 75-jährige Jubiläum des Grundgesetzes: „Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die menschliche Würde allem anderen vorangestellt im Bewusstsein dessen, woher Deutschland kam: aus der Barbarei der nationalsozialistischen Herrschaft und aus dem verheerenden Krieg mit seinen dramatischen Folgen für Europa und die ganze Welt. Das Grundgesetz spannte den Rahmen für das Entstehen neuer Räume des Zusammenlebens in der Gesellschaft und als Teil der Völkergemeinschaft: in Achtung vor dem und der jeweils anderen, in einem demokratischen Staatswesen, als Solidargemeinschaft der vielen Verschiedenen“, schreiben die Vorsitzenden. 75 Jahre später gehe es darum, dass man wisse, wohin man nicht zurückkehren dürfe, was man niemals sein wolle: „ein Land, in dem eben diese Würde des Menschen für wertlos erklärt und ignoriert werden soll. Vielleicht haben wir unsere freiheitliche Demokratie und ihre Organe über einen zu langen Zeitraum für selbstverständlich und geradezu unerschütterlich gehalten.“ Ausdrücklich warnen die Kirchen vor dem Wiedererstarken rechtspopulistischer und rechtsextremer Positionen in Deutschland wie in vielen anderen Ländern. „Eine wachsende Zahl von Menschen ist bereit, sich Gruppen und Parteien anzuschließen, in denen ein völkischer Nationalismus zum Programm gehört, die freiheitliche Demokratie verachtet und eine Aushöhlung rechtsstaatlicher Strukturen angestrebt wird. Die unantastbare Würde jedes einzelnen Menschen wird dabei in Worten und Taten faktisch geleugnet.“

Angesichts dieser Entwicklungen und anstehender Wahlen wenden sich die Kirchen gegen jede Form von Rassismus und Antisemitismus und jede Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit: „Mit der Interkulturellen Woche möchten wir ein Zeichen setzen für die Achtung der Menschenwürde und den Schutz von Menschenrechten. Wir wollen neue Räume der Begegnung, der Zusammenarbeit und des Vertrauens schaffen und erhalten. Räume, wo jene Haltung, für die so viele Menschen derzeit mit Engagement auf die Straßen gehen, im Miteinander sichtbar wird: die Achtung vor jedem anderen Menschen und die Wertschätzung der Vielfalt. In einer Zeit vieler Konflikte, Kriege und gewaltsamer Auseinandersetzungen an den Krisenherden der Welt schafft die Interkulturelle Woche neue Räume der Verbundenheit und der Ermutigung.“ Die Kirchenvertreter fügen hinzu: „Unser Gemeinwesen lebt davon, dass wir als Menschen zugleich Mitmenschen sind und dass wir füreinander Verantwortung übernehmen.“ Es sei die Pflicht von Christinnen und Christen, sich auf jede mögliche Weise schützend vor die Menschen zu stellen, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres gesellschaftlichen Engagements von rechtsextremen Gruppen und Parteien bedroht, verunglimpft, angegriffen und verfolgt werden. „Und es ist ebenso unsere Pflicht, nach wie vor Menschen bei uns aufzunehmen, die zu uns kommen, weil sie vor Krieg und Elend fliehen müssen. Ihre Würde ist genauso unantastbar wie die aller anderen. Sie brauchen Schutz und Unterstützung“, schreiben Bischof Bätzing, Bischöfin Fehrs und Metropolit Augoustinos.

Die bundesweit jährlich stattfindende Interkulturelle Woche ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der EKD und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Sie findet seit 1975 Ende September statt und wird von Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen unterstützt und mitgetragen. In fast 700 Städten und Gemeinden gibt es rund 5.000 Veranstaltungen. Der Zeitraum für die Interkulturelle Woche 2024 ist der 22. bis 29. September. Der nationale „Tag des Flüchtlings“, dieses Jahr am 27. September, ist Bestandteil der Interkulturellen Woche.

LINKS: Das Gemeinsame Wort der Kirchen zur Interkulturellen Woche 2024 ist als PDF-Datei im Anhang sowie unterwww.dbk.de verfügbar. Für die Vorbereitung der Interkulturellen Woche hat der Ökumenische Vorbereitungsausschuss eine Reihe von Materialien (Aktionsumschlag, Plakate, Postkarten und Flyer) erstellt, die unter www.interkulturellewoche.de bestellt werden können.

Montag, 23.09.2024