Palliativmedizin statt Sterbehilfe

von Stefan Klinkhammer

Montag, 03.07.2023

Bild: Bistum Münster
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© Logo Podcast „kannst glauben“ aus dem Bistum Münster

Diese Woche will der Bundestag über die Neuregelung der Sterbehilfe abstimmen. Doch stattdessen soll lieber die Palliativmedizin ausgebaut werden, wünscht der pensionierte Chefarzt Dr. Wolfgang Clasen im Podcast „kannste glauben“ aus dem Bistum Münster...

INFO: „Das Plus der Palliativmedizin gegenüber herkömmlichen Behandlungen ist die Zeit”, sagt Dr. Wolfgang Clasen. Clasen ist der Gründer der ersten Palliativstation in Münster im Herz-Jesu-Krankenhaus in Hiltrup. In der neuen Folge des Podcasts „kannste glauben” des Bistums Münster spricht der pensionierte Chefarzt über seinen persönlichen Weg in die Palliativmedizin, die Möglichkeit, Menschen am Lebensende die Schmerzen zu nehmen, und wie wichtig es ist, den Menschen zuzuhören. 
Bis vor drei Jahren war der assistierte Suizid in Deutschland strafbar. Das änderte sich 2020, als das Bundesverfassungsgericht klarstellte, dass jeder Mensch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben hat und dabei auch Hilfe in Anspruch nehmen darf. Seitdem diskutiert der Bundestag über eine Neureglung der Sterbehilfe. Zwei Gesetzesinitiativen liegen vor. Nach jetzigem Stand der Dinge soll am 7. Juli soll über diese abgestimmt werden. Auch die beiden großen Kirchen in Deutschland haben sich zu dem Thema positioniert. Beide lehnen Sterbehilfe grundsätzlich ab und machen sich stattdessen für Alternativen stark – besonders die hospizliche und palliative Versorgung soll aus Sicht der Kirchen unbedingt ausgebaut werden, auch deshalb, weil durch die Begleitung Schmerzen gelindert werden können.
In der neuen Folge von „kannste glauben” gibt Clasen Einblicke in die Arbeit auf der Palliativstation und klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es gibt, am Ende nicht alleine zu sein – auch ohne Sterbehilfe. Und so glaubt Clasen auch nicht, dass Verbote weiterbringen, sondern dass es Angebote für Menschen in der letzten Lebensphase braucht. Wie so eine Hilfe aussehen kann und welche Wünsche Clasen an die Politik hat, das verrät er in der halbstündigen Folge.

Der Link zum Podcast: Die Episode des Bistums-Podcasts „kannste glauben“ mit Dr. Wolfgang Clasen ist auf der Homepage von „kannste glauben" abrufbar. Zudem können alle Folgen der Reihe bei Spotify, podcaster.de, Deezer, Google Play und Itunes kostenfrei angehört werden.

Flyer: Beratung und Behandlung auf der Palliativstation Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup:
https://www.hjk-muenster.de/fileadmin/daten/mandanten/hjk/X-Downloads/Innere_Medizin/Flyer_Palliativstation.pdf

Die wichtigsten Inhalte der nun vorliegenden Gesetzesentwürfe hat die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) zusammengefasst:

1. Der Gesetzentwurf der Gruppe um Lars Castellucci (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert- Gonther (Grüne), Petra Pau (Linke) und Benjamin Strasser (FDP):
Der Gesetzentwurf will die Suizidbeihilfe über das Strafrecht regeln und sieht ein grundsätzliches Verbot der geschäftsmäßigen, also organisierten Suizidbeihilfe vor. Verstöße sollen mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden können.
Nicht rechtswidrig ist demnach die auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe, wenn bestimmte Beratungspflichten und Wartezeiten erfüllt sind. Konkret sollen Sterbewillige im Regelfall mindestens zwei Untersuchungen durch Fachärztinnen beziehungsweise Fachärzte für Psychiatrie oder Psychotherapie sowie mindestens eine weitere Beratung absolvieren. Zudem ist ein Verbot für die Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung vorgesehen.

2. Der fusionierte Gesetzentwurf der Gruppen um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne):
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, «die unwürdige, unzumutbare und nicht von freiem Willen getragene Umsetzung von Sterbewünschen möglichst zu verhindern, eine autonome und vollinformierte Entscheidungsfindung suizidwilliger Personen sicherzustellen, ihnen einen sicheren Zugang zu Arznei-/Betäubungsmitteln zum Zwecke der Selbsttötung zu ermöglichen und so Rechtssicherheit und klare Regelungen für Suizidwillige und auf deren Wunsch zur Hilfe bereite Personen zu schaffen». Eine Regelung innerhalb des Strafrechts wird abgelehnt.
Die Abgeordneten schlagen vor, Sterbewilligen den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten zu ermöglichen, wenn sie zuvor eine Beratung in Anspruch genommen haben. Dazu sollen die Bundesländer ein Beratungsnetz aufbauen. Ein Arzt soll erst dann das tödliche Mittel verschreiben dürfen, wenn ein Beratungsnachweis vorliegt. Die Beratungsbescheinigung muss mindestens drei Wochen alt sein, aber nicht älter als zwölf Wochen.
Liegt ein sogenannter Härtefall vor, also ein «existenzieller Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen», dann reicht das Hinzuziehen eines zweiten Arztes zur Verschreibung eines tödlichen Medikaments.  Niemand kann laut Entwurf zur Suizidbeihilfe verpflichtet werden. Auch darf niemand bestraft werden, der Suizidbeihilfe leistet. Findet der Suizidwillige keinen Arzt, sollen Bundesländer Stellen benennen, die das tödliche Medikament verschreiben.
Möglich sind nach dem Willen der Abgeordnetengruppe auch organisierte Angebote von Hilfe zur Selbsttötung - also Sterbehilfevereine. Dabei kann die Bundesregierung eine Zulassung solcher Angebote von einer Zuverlässigkeitsprüfung abhängig machen. Rein auf Gewinnstreben ausgerichtete Angebote sollen aber verhindert werden.

3. Gruppenanträge für eine verbesserte Suizidprävention
Beide Abgeordnetengruppen haben zusätzlich fraktionsübergreifende Anträge für eine verbesserte Suizidvorbeugung formuliert. Beide fordern eine Stärkung der Forschung zu Risikofaktoren und effektiven Präventionsmaßnahmen. Dazu gehöre zu allererst eine Entstigmatisierung des Suizids, um Menschen in persönlichen Krisen den Zugang zu Hilfe zu ermöglichen.  Durch verbesserte Lebensbedingungen müsse der Suizidalität vorgebeugt werden, etwa durch Armutsbekämpfung und Konzepte gegen Vereinsamung. Menschen mit Suizidgedanken bräuchten leicht erreichbare Angebote zur Beratung, Behandlung und Unterstützung am Lebensende. Zudem sollte der Zugang zu Suizidmitteln und -orten reduziert werden. Besondere Risikogruppen wie depressive und alte Menschen oder Personen, die schon einen Suizidversuch hinter sich haben, brauchten angemessene Hilfen. Auch sollen Hospizarbeit und Palliativmedizin gestärkt werden.

Die Abgeordneten um Künast und Helling-Plahr fordern von der Bundesregierung, eine Nationale Strategie zur Suizidprävention vorzulegen. Die Abgeordneten um Castellucci fordern den Bundestag auf, einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Suizidprävention vorzulegen, der den Schwerpunkt auf die Förderung der seelischen Gesundheit in den Alltagswelten legt und der - z. B. im betrieblichen Gesundheitsmanagement oder in Jobcentern - Angebote zur Bewältigung beruflicher oder familiärer Krisen fördert. Die Unterzeichner schlagen unter anderem einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst vor, der Menschen mit Suizidgedanken und Angehörigen rund um die Uhr online sofortigen Kontakt mit geschultem Personal ermöglicht.

Montag, 03.07.2023