Papst reist nach Kasachstan

von Christof Beckmann

Dienstag, 13.09.2022

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Prof. Thomas Schwartz, Bild: privat, Collage KIP

Gleich geht es auf den Flieger nach Kasachstan: Papst Franziskus besucht das neuntgrößte Land der Erde. Das Motto der Reise lautet „Botschafter des Friedens und der Einheit“. Einschätzungen von Prof. Schwartz, dem Chef von Renovabis …

INFO: Papst Franziskus hat ein ärztliches Verbot für Reisen nach Kiew oder Moskau erhalten. Doch an seinem Besuch in Kasachstan vom 13. bis 15. September hielt er fest. Um 7:15 Uhr hebt er mit dem Airbus A330 von ITA Airways vom Flughafen Leonardo da Vinci Rom-Fiumicino zum Internationalen Flughafen Nursultan Nasarbajew ab. Die Landung ist für 17:45 Uhr Ortszeit geplant. Mit an Bord sind die päpstliche Delegation und Vertreter der italienischen und internationalen Presse.

„Es wird eine Gelegenheit sein, zahlreiche Religionsvertreter zu treffen und einen brüderlichen Dialog zu führen, der von dem gemeinsamen Wunsch nach Frieden beseelt ist. Frieden, nach dem unsere Welt dürstet“, sagte Papst Franziskus beim Angelus-Gebet am Sonntag, 11. September, vor seiner dreitägigen Reise: „Ich möchte bereits jetzt einen herzlichen Gruß an die Teilnehmer sowie an die Behörden, die christliche Gemeinschaft und die gesamte Bevölkerung dieses großen Landes richten. Ich danke Ihnen für die Vorbereitungen und die Arbeit, die Sie im Hinblick auf meinen Besuch geleistet haben.“ Der Papst betete auch für das ukrainische Volk und für seinen Gesandten, Kardinal Konrad Krajewski, der in der Ukraine eingetroffen ist. „In diesen Tagen ist Kardinal Krajewski, Präfekt des Dikasteriums für den Dienst der Nächstenliebe, in der Ukraine, um verschiedene Gemeinschaften zu besuchen und ein konkretes Zeugnis für die Nähe des Papstes und der Kirche zu geben“, erklärte der Papst vor den 18.000 auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen.
Noch am Freitag hatte er mehr Anstrengungen für den Frieden gefordert. Bei einer Audienz für die Päpstliche Akademie der Wissenschaften im Vatikan erinnerte Papst Franziskus daran, dass er bislang immer wieder mal von einem „Weltkrieg auf Raten“ gesprochen habe; mittlerweile könne man fast von einem „totalen“ Weltkrieg reden, berichtete Vatican News: „Nach den zwei tragischen Weltkriegen sah es zunächst so aus, als hätte die Welt gelernt, schrittweise auf den Respekt der Menschenrechte, des Völkerrechts und der verschiedenen Formen von Zusammenarbeit zuzugehen. Aber leider zeigt die Geschichte mittlerweile Anzeichen einer Regression. Nicht nur, dass anachronistische Konflikte intensiver werden – es tauchen auch wieder Nationalismen auf, die in sich verschlossen und aggressiv nach außen sind, und neue Kriege um Vorherrschaft, die Zivilisten, alte, junge und kranke Menschen in Mitleidenschaft ziehen und ein Bild der Zerstörung schaffen.“ Er sei sehr besorgt über diese Entwicklung und darüber, dass die „Risiken für die Menschen und für den Planeten insgesamt“ immer weiter anstiegen: „Der heilige Papst Johannes Paul II. dankte Gott dafür, dass die Welt von einem Atomkrieg verschont worden ist. Leider müssen wir weiterhin beten, dass diese Gefahr nicht eintritt, die schon seit längerem hätte abgewendet sein müssen.“ Alle Kräfte, auch die der Wissenschaft, gelte es zu bündeln, um Elend, Armut, „neue Sklaverei“ zu bekämpfen und Kriege zu verhindern, fuhr Franziskus fort. „Im Namen Gottes, der alle Menschen für ein gemeinsames Geschick des Glücks geschaffen hat, sind wir heute dazu aufgerufen, zu bezeugen, dass wir Geschwister sind, die Hass, Ressentiments, Spaltung, Gewalt und Krieg zurückweisen. Im Namen Gottes, der uns den Planeten gegeben hat, auf dass wir ihn schützen, sind wir auch zu einer ökologischen Bekehrung aufgerufen, auf dass wir unser gemeinsames Haus, unser Leben und das der kommenden Generationen retten, statt Ungleichheiten, Ausbeutung und Zerstörung zu fördern.“

VII. Kongress der Religionen: Ziel der Reise ist der VII. Kongress der Religionen in der Hauptstadt Nur-Sultan am 13. und 14. September, den die autoritäre Staatsführung Kasachstans bereits zum siebten Mal veranstaltet. Der langjährige Staatschef Nursultan Nasarbajew lud 2003 erstmals dazu ein – er wollte nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA laut eigener Aussage damit zu Frieden und Eintracht in der Welt beitragen. Die jetzige Konferenz im „Palast der Unabhängigkeit“ ist die erste unter Kassym-Schomart Toqajew, der 2019 Nasarbajew als Staatsoberhaupt ablöste. Rund 100 Delegationen aus 50 Ländern werden erwartet, unter ihnen der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III., Israels sephardischer Oberrabbiner Yitzhak Yosef und mit Großscheich Ahmed al-Tayyib von der Al-Azhar-Moschee in Kairo auch einer der ranghöchsten sunnitischen Geistlichen. Angekündigt sind weitere Geistliche von Islam, Christentum, Judentum, Shintoismus, Buddhismus, Zoroastrismus, Hinduismus und anderen Religionen. Organisator ist Bulat Sarsenbajew, Chef des staatlichen Nasarbajew-Zentrums zur Entwicklung des Dialogs zwischen Religionen und Zivilisationen. Mehr im Internet (engl.): http://religions-congress.org/en.

Programm der Papstreise: Papst Franziskus wird sowohl zur Eröffnung als auch zum Abschluss eine Ansprache halten. Inoffizieller Höhepunkt sollte ursprünglich ein Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. sein, der vor Monaten die Einladung zum VII. Kongress der Religionen angenommen hatte. Am 25. August sagte der Moskauer Patriarch seine Teilnahme an dem Kongress allerdings ab. Nun soll eine russische Delegation zu diesem „wichtigen Ereignis“ reisen, so die Erklärung aus Moskau. Laut russischen Medien wird sie angeführt vom neuen Leiter des russisch-orthodoxen Außenamts, Metropolit Antonij (Sevrjuk). Begründet wurde die Absage auch damit, dass ein Treffen von Papst und Patriarch nicht am Rande eines anderen Ereignisses stattfinden könne und viel Vorbereitung benötige - zumal es, so die russische Seite, keine Vorplanungen gegeben habe.

Zum Papst-Programm bis Freitag gehören ein Höflichkeitsbesuch beim Präsidenten der Republik, Begegnungen mit Vertretern von Regierung, Zivilgesellschaft und Diplomatischem Corps, ein gemeinsames Schweigendes Gebet der Religionen, private Begegnungen mit religiösen Führern und eine Heilige Messe auf dem Gelände der Weltausstellung Expo 2017. Zudem wird der Papst privat mit Mitgliedern des Jesuiten-Ordens in der Apostolischen Nuntiatur zusammentreffen, ebenso mit Bischöfen, Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Seminaristen und pastoralen Mitarbeitern in der Kathedrale der „Muttergottes der immerwährenden Hilfe“. -> Das offizielle Programm der Reise vom 13.-15 September 2022

„Franziskus geht in Kasachstan abermals an die Ränder der Weltkirche und würdigt dort eine verstreute Christenschar, von der wir viel lernen können“, ist Pfr. Prof. Dr. Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer von Renovabis, überzeugt. Die katholische Kirche, die in der Verfolgung in sowjetischer Zeit und der räumlichen Zerstreuung überlebt habe, sei trotz ihrer Minderheitensituation anerkannt, weil sie in Vergangenheit und Gegenwart Nächstenliebe erfahrbar machte. Der „unerschütterliche Glaube und die Treue – gerade von so vielen Frauen, Müttern und Großmüttern – während der dunklen Zeit des verordneten sozialistischen Atheismus sind noch heute beeindruckend“, so Schwartz. Dafür stehe beispielhaft die zur Seligsprechung vorgeschlagene und nach Kasachstan verschleppte Russlanddeutsche Gertruda Detzel. Zugleich stehe die katholische Kirche Kasachstans in einem großen Umbruch: Viele Deutsche und Polen, die als europäische Volksgruppen die katholische Kirche wesentlich trugen, hätten in den letzten Jahrzehnten das Land Richtung Westen verlassen. „Der Besuch von Papst Franziskus in Kasachstan kommt genau zur richtigen Zeit“, ist sich Schwartz sicher. „Er stärkt diese kleine Ortskirche und ermutigt Katholikinnen und Katholiken, aus den eigenen Glaubenswurzeln eine tragfähige Zukunftsperspektive mit einem Beitrag in die Gesellschaft hinein zu entwickeln.“

Kasachstan: Die ehemalige Sowjetrepublik am Kaspischen Meer grenzt im Norden an Russland, im Südwesten an Usbekistan und Turkmenistan sowie im Südosten an China und Kirgistan. Der Steppenstaat ist mit einer Fläche von 2,7 Millionen Quadratkilometern das neuntgrößte Land der Welt und fast acht mal so groß wie Deutschland. Vor allem aufgrund seiner reichen Rohstoffvorräte - unter anderem Öl, Gas und Uran - gehört Kasachstan zu den wirtschaftlichen Schwergewichten in Zentralasien. Ökonomisch und politisch steht das 19 Millionen Einwohner zählende Land in engen Kontakten zu den beiden Nachbarstaaten Russland und China - der chinesische Präsident Xi Jinping soll sich zeitgleich zu Franziskus in Nur-Sultan aufhalten. Starke Kontakte bestehen durch das gemeinsame kulturelle Erbe aber auch mit der Türkei. Zum Ukraine-Krieg nimmt Kasachstan eine eher neutrale Haltung ein. Seit der 1991 Unabhängigkeit lenkte Präsident Nursultan Nasarbajew die Geschicke des Landes und verlegte die Hauptstadt von Almaty nach Astana. 2019 wurde er durch Kassym-Schomart Toqajew abgelöst, der Astana 2019 zu Ehren seines Vorgängers in Nur-Sultan umbenennen ließ. Beide gehören der Partei „Nur Otan“ (Licht des Vaterlands) an, der dominanten politischen Kraft in Kasachstan. Nasarbajew. Auch wenn das Land vor den Unruhen vom Januar 2022 als vergleichsweise stabil galt, gab es immer Vorwürfe von Unfreiheit, Menschenrechtsverletzungen und Korruption.

Religion in Kasachstan: Rund 70 Prozent der rund 19 Millionen Einwohner Kasachstans sind sunnitische Muslime, doch spielt der Islam keine dominante Rolle im gesellschaftlichen Leben. Früher vertreten war bereits das Christentum: Es entstand im 2. Jahrhundert von Syrien aus. Ausgrabungen an der Seidenstraße wiesen von nestorianischen Christen angelegte Gräber vom Anfang des 12. Jahrhunderts nahe der Grenze zu China nach. Heute haben Christen einen Anteil von circa 26 Prozent; die Mehrheit von ihnen gehört zur russisch-orthodoxen Kirche. Offiziell gehört das Gebiet als ehemaliger Teil der Sowjetunion zum „kanonischen Territorium“ des Moskauer Patriarchats, dass sich damit allein berechtigt fühlt, Mission und Evangelisierung zu betreiben. Die katholische Kirche, die mit dem römischen und dem ostkirchlichen „byzantinischen“ Ritus vertreten ist, stellt mit nur etwa 182.000 Katholiken nur ein Prozent der Bevölkerung. Zudem sind in Kasachstan die Siebenten-Tags-Adventisten vertreten, kleine jüdische Gemeinden in den Städten und Zeugen Jehovas. Die Religionsgemeinschaften leben in Kasachstan in gutem Einvernehmen miteinander.

Katholische Kirche in Kasachstan: Die katholische Kirche entstand unter Stalin aus polnischen und deutschen Zwangsumgesiedelten: Fast 500.000 Menschen mit deutschen Wurzeln lebten zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Land. Sie mussten unter ständiger Aufsicht der Geheimpolizei Frondienste in Arbeitskolonnen leisten. Der in „Sondersiedler“ umbenannte „Arbeitsarmisten-Status“ wurde erst 1955 aufgehoben. Mit den Ausreiseerleichterungen unter dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow verließen Ende der 1980er Jahre viele deutschstämmige Siedler Kasachstan. Für den römischen Ritus gründete Papst Johannes Paul II. 1991 eine Apostolische Administratur, in der Msgr. Johannes Börsch aus dem Erzbistum Köln, heute Subsidiar in Bensberg/Moitzfeld), die Aufgabe des Generalvikars übernahm. Aus der Administratur heraus wurden 1997 die territorialen Einheiten „Mission sui juris“ in Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan gegründet. 1998 war Kasachstan war das erste GUS-Land, das mit dem Vatikan ein konkordatähnliches Abkommen unterzeichnete. 1999 entstanden die Administraturen in Atyrau, Astana (seit 2019 Nur-Sultan) und Almaty, zudem wurde die Administratur zum Bistum Karaganda erhoben. 2001 reiste Papst Johannes Paul II. zu einem Pastoralbesuch in das Land. Seit 2003 ist die Administratur Astana Erzbistum. Am 9. September 2012 wurde mit der Bischofskirche „Unserer Lieben Frau von Fatima – Mutter der Nationen“ in Karaganda (kas. Qaraghandy) die größte katholische Kirche Zentralasiens geweiht. Sie ist zugleich Gedenkort für die „Opfer des kommunistischen Regimes“ - bei Karaganda befand sich das berüchtigte sowjetische Zwangsarbeitslager KarLag.

Renovabis in Kasachstan: Renovabis hat seit seiner Gründung 1993 in Kasachstan 781 Projekte mit einer Gesamtsumme von rund 18 Millionen Euro gefördert. Die Sozialprojekte und Projekte im Bereich der Schul- und Berufsbildungsarbeit kommen auch Menschen zugute, die nicht katholisch sind. Renovabis ist die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa. Der Name stammt aus Psalm 104: „Renovabis faciem terrae – Du (Gott) wirst das Antlitz der Erde erneuern“. Das 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken von der Deutschen Bischofskonferenz gegründete Hilfswerk mit Sitz in Freising unterstützt Projekte zur Erneuerung des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens in den ehemals kommunistischen Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Zu den von Renovabis geförderten Projekten gehören kirchlich-pastorale Projekte in 29 Ländern, darunter Projekte für Jugendseelsorge, Familienseelsorge, Ausbildung von Priestern und Ordensleuten, Bau von Kirchen und Gemeindezentren, soziale Projekte und Bildungsprojekte, Altenheime, Tageszentren für Kinder aus sozial schwachen Familien, Projekte für Straßenkinder und für Menschen mit Behinderung, Förderung von Schulen und Berufsschulen und weitere Projekte, wie Ausbildung von Journalisten, Förderung von Medienarbeit und Nothilfe (z.B. für Flüchtlinge oder im Fall von Naturkatastrophen). Kontakt: Renovabis, Domberg 27, 85354 Freising, Tel. 08161 / 5309-0, Fax 08161 / 5309-11, E-Mail: info@renovabis.de, Spendenkonto IBAN: DE24 7509 0300 0002 2117 77, BIC: GENODEF1M05, LIGA Bank eG. Mehr Infos: www.renovabis.de/, Länder & Projekte, Mitmachen, Material, Spenden, Über uns.

Unser Gesprächspartner: Pfarrer Prof. Dr. Thomas Schwartz, 1964 in Landstuhl/Pfalz geboren, ist seit 2021 Leiter von Renovabis. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie in Münster, Augsburg und Rom wurde er dort 1990 zum Priester geweiht, war zunächst Kaplan und nach seiner Promotion in Freiburg von 1999 bis 2009 Hochschulpfarrer in Augsburg. Von 2005 bis 2014 übernahm er die Professur für Angewandte Ethik an der Hochschule Augsburg und lehrte darüber hinaus Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Wirtschaftsfakultät der Universität Augsburg. Er war seit 2010 Pfarrer in Mering und ist seit 2014 Honorarprofessor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Universität Augsburg. Er ist ordentliches Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste und des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken sowie verschiedener kirchlicher Kommissionen auf nationaler und internationaler Ebene. Seit Herbst 2021 ist Schwartz Hauptgeschäftsführer von Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der Deutschen Katholiken. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Nachhaltigkeitstheorie, der Corporate Social Responsibility, der Compliance sowie der Führungsethik.

Kontakt: Pfarrer Prof. Dr. Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer, E-Mail: ts@renovabis.de, Anschrift: Renovabis e.V., Domberg 38/40, 85354 Freising, Tel. 08161 / 5309-12, Fax 08161 / 5309-11, info@renovabis.de, Internet: www.renovabis.de.

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