Pfarrer mit Zollstock
Freitag, 05.06.2020
Michael Nitzke arbeitet als Pfarrer in Dortmund. Ein vielfältiger Job, bei dem er auch so manches Mal improvisieren muss. Im Moment wird er zum Beispiel regelmäßig handwerklich aktiv:
Aber in der letzten Zeit ist der Zollstock für mich eine Art Symbol.
Ausgeklappt misst so ein Zollstock zwei Meter.
Zwei Meter Abstand musste ich nachweisen, als ich meine Kirche fit machen musste für die Wiederaufnahme von Gottesdiensten. Zwei Meter von jedem Sitzplatz zu allen Seiten. Manche sagen Eins-Fünfzig reichen, aber bei uns geht die Evangelische Kirche auf Nummer sicher.
Klar, das dient der Gesundheit. Während ich meinen Zollstock zusammenklappe denke ich daran, dass vor Corona in manchem Gottesdienst die zwei Meter ganz ohne Zollstock eingehalten wurden. Bei Konfirmationen oder an Heilig Abend wird jeder Platz besetzt, da ging das nicht. Aber sonst geht so mancher freiwillig auf Abstand. Aber es ist etwas anderes, wenn aus einer Gewohnheit eine lästige Pflicht wird.
Ich frage mich, ob die Menschen die Nähe wieder suchen, wenn mal wieder alles normal ist.
Wie werde ich mich dann fühlen? Komme ich mit so viel Nähe überhaupt noch zurecht?
Ich lege den Zollstock wieder vom Schreibtisch in die Werkzeugkiste. Ich will mich nicht an den Anblick gewöhnen. Diese eingeklappten zwei Meter sollen es sich in meinem Hinterkopf nicht allzu gemütlich machen. Ich wünsche mir, dass Menschen bald wieder frei auf einander zugehen können.