Pflegende pflegen

von Christof Beckmann

Montag, 21.10.2024

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Motiv Pixabay, Collage KIP

Rund 5 Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland, mehr als 1/6 wird vollstationär in Pflegeheimen versorgt, alle anderen zu Hause. Praktische Hilfe ist gefragt – wie beim SKF Ibbenbüren oder mit einem neuen Anbegot des Erzbistum Köln...

INFO: Wenn die Betreuung von Angehörigen zu viel wird / SKF-Betreuungsverein für ehrenamtliche rechtliche Betreuende in Ibbenbüren macht handlungsfähig. Ibbenbüren (cpm). Als ihre „Lieblingstante“ vor gut einem Jahr nach einem Sturz ins Koma fiel, war das für Petra Thalmann nicht nur emotional eine große Herausforderung. Auch die Organisation der Situation stellte die 64-jährige Ibbenbürenerin vor große Probleme. Zunächst waren es medizinische und pflegerische Fragen, die geklärt werden mussten. Bald folgten finanzielle, bürokratische und rechtliche Entscheidungen, von denen sich die heute pensionierte Lehrerin überfordert fühlte.

„Die kleinen, alltäglichen Dinge konnte ich stemmen“, sagt sie. Etwa das Haus oder den Garten der Tante versorgen. Doch schon bald stand sie vor Situationen, bei denen sie nicht wusste, ob sie überhaupt das Recht hatte, diese selbstständig zu entscheiden. „Durfte ich einfach ihre Post öffnen?“ Oder: „Soll ich den Wagen meiner Tante abmelden?“

Petra Thalmann erinnert sich, dass sie schnell an ihre Grenzen kam. „Nicht nur, weil das alles mich zeitlich überlastete, auch weil mir oft das Hintergrundwissen fehlte.“ In der Kommunikation mit Gerichten und Behörden gab es viel Papierkram. Sie gibt zu: „Von einem zwölfseitigen Dokument in Amtssprache lese ich eigentlich nur die erste Seite.“

Von diesen Dokumenten gab es viele. Auch deshalb wandte sie sich an den Betreuungsverein für ehrenamtliche rechtliche Betreuerinnen und Betreuer des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SkF) in Ibbenbüren. Ein „Volltreffer“, wie sie im Rückblick sagt. Denn von den dortigen neun hauptamtlichen Mitarbeitenden in der rechtlichen Betreuung bekam sie genau die Unterstützung, die sie brauchte.

„Wir beraten und begleiten die Ehrenamtlichen langfristig“, sagt Ute Middendorp. Sie leitet den Fachbereich für Existenzsichernde Hilfen des SkF und arbeitet mit im Betreuungsverein. Und sie kennt den Wust an Aufgaben, denen ein Laie schnell hilflos gegenüberstehen kann. „Unser Ziel ist es, ihnen die Unterstützungen zu geben, die sie handlungsfähig machen – selbstständig und eigenverantwortlich.“

Fortbildungsangebote und feste Ansprechpartner gehören dazu. Vor allem aber konkrete Arbeitserleichterungen. „Die Mappe mit Formularen und Vordrucken ist für viele eine Riesen-Entlastung“, sagt Ute Middendorp. „Sie können damit ohne großen bürokratischen Aufwand Anträge stellen und Briefe beantworten.“ Eine Leistung bringt den Ehrenamtlichen zusätzliche Sicherheit: „Wer in den Betreuungsverein kommt, ist automatisch haftpflichtversichert.“

Viele Ehrenamtliche kommen mit einem konkreten Betreuungsfall auf den Verein zu, oft aus dem Verwandten- oder Freundeskreis. „Es gibt aber auch Engagierte, denen wir Betreuungsfälle zuordnen“, sagt Ute Middendorp. Dabei wird immer darauf geachtet, dass die Situation des Betreuten zum Profil des Betreuenden passt. „Eine rechtliche Betreuung kann viele unterschiedliche Hintergründe und Auslöser haben – davon darf sich keiner überfordert fühlen.“

Denn im Betreuungsbereich warten oft „mehrere persönliche Baustellen“, sagt Ute Middendorp. „Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Schulden, psychische Probleme ...“, zählt sie auf. Die Vernetzung mit anderen Hilfs- und Beratungsangeboten ist deshalb wichtig. „Wir vermitteln immer wieder an Fachkräfte aus spezialisierten Bereichen.“ Die Lieblingstante von Petra Thalmann ist mittlerweile aus dem Koma erwacht. Dadurch stellen sich aber neue Aufgaben. „Es bleibt eine Rundum-Betreuung – ich habe zu meinen zwei eigenen Kindern quasi ein drittes Kind dazubekommen.“ Die Organisation eines Pflegeplatzes, der Kontakt mit Ärzten oder die Regelungen mit dem Amtsgericht kommen zu den Alltagsherausforderungen dazu.

„Aber auch das kriegen wir hin“, sagt Ute Middendorp lächelnd. Sie weiß, dass die Leistungen der ehrenamtlichen Betreuenden weit über die Möglichkeiten hinausgehen, die sie als Hauptamtliche stemmen kann. Gerade die emotionale Nähe im Alltag zählt sie dazu. 342 Engagierte stehen derzeit im Verein zur Verfügung. Gemeinsam mit den hauptamtlichen Betreuern waren sie im Jahr 2023 in insgesamt mehr als 400 Fällen im Einsatz. Jeder einzelne bedeutet häufig die Rettung aus drohender Überforderung. So wie bei Petra Thalmann. Sie ist sich sicher: „Wenn es den Verein nicht geben würde, hätte ich die Betreuung längst aufgegeben.“

Weitere Informationen unter: www.skf-ibbenbueren.de/fachdienste/betreuungsverein

www.pflegende-pflegen.de

Mit einer neuen Website und einer Kartenserie würdigen Altenheimseelsorge und Altenpastoral im Erzbistum Köln das hohe Engagement in der Pflege. Im April 2024 wurde die Seite www.pflegende-pflegen.de ins Leben gerufen, um Möglichkeiten, Ideen und Perspektiven dazu anzubieten, das hohe Engagement in der Pflege zu würdigen und wertzuschätzen. Sie will die Pflegenden in ihrem Engagement mit Materialien und Angeboten wie Qualifizierungen, seelsorglichen Gesprächen und Austauschtreffen unterstützen.

Die Seite richtet sich an Menschen, die in der Pflege in unterschiedlichen Bereichen engagiert sind, beispielsweise in Einrichtungen der stationären und ambulanten Altenpflege, in der Seniorenbetreuung und Alltagsbegleitung, Tagespflege, in Verbänden, Vereinen, Netzwerken, Selbsthilfegruppen, Kirchengemeinden, in der Familie oder im Freundeskreis, in Seelsorge und Pastoral, Beratung und Begleitung. Unterschiedlichen Materialien und Angebote möchten inspirieren und anregen, mit anderen in der Pflege engagierten Menschen in einen Austausch zu kommen oder in eine persönliche Vertiefung und Entspannung zu finden. Sie bietet auch ganz praktische Adressen, mit denen sich freie Pflegeplätze finden lassen, Ratgeber für pflegende Angehörige, Angebote von Caritas und Maltesern (Pflegeberatung der Caritas; Pflegefall: Hilfreiche Tipps für pflegende Angehörige I Malteser.de), aber auch weiterführende Links wie Material zu Verbraucherzentralen, Familienservice und vieles mehr.

Zur Seite: https://www.erzbistum-koeln.de/seelsorge_und_glaube/lebensphase-alter/pflegende-pflegen/

Kontakt: Brigitte Döpper, Diözesanreferentin, Erzbistum Köln, 50606 Köln, Tel. 0221 1642 1534, E-Mail: Klick zum E-Mail senden, Projektleitung „Mensch.Demenz.Kirche.“, Tel. 0221 1642 1371, E-Mail: Klick zum E-Mail senden, Sekretariat: Alice Skuplik, Telefon: 0221 1642 1346, E-Mail: Klick zum E-Mail senden

Montag, 21.10.2024