Psalm 121: Woher kommt mir Hilfe?

von Dr. Wolfgang PickenDr. Wolfgang Picken

Donnerstag, 02.04.2020

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Bild: Website Wolfgang Picken / www.bonner-muenster.de

„Meine Augen schauen auf zu den Bergen woher kommt mir Hilfe?“ heißt es in Psalm 121. Wer auch immer das genau aufgeschrieben hat - er muss verzweifelt gewesen sein, meint Wolfgang Picken, Stadtdechant in Bonn: „Uns geht es gerade nicht anders.“

INFO: Die aktuellen Entwicklungen schlagen jedem aufs Gemüt - viel ist zu organisieren, zu improvisieren, zugleich stellen sich auch Leerlauf und Resignation ein, Unverständnis und Protest, eine Gemengelange von widerstrebenden Gefühlen. Und vielleicht auch ein Gedanke an das, was in der Fastenzeit eh immer thematisiert wird: Runterfahren, abbremsen, reduzieren, auf Wesentliches konzentrieren, Zusammenhänge in den Blick nehmen, Lebens-Entscheidendes in den Fokus rücken. Alles, was die menschliche Natur zu bieten hat, bildet sich schon in den ältesten Gebeten der Kirche ab - den Psalmen. Klage, Unmut, Aufbegehren, Verzweiflung, Vertrauen, Hingabe und mehr, die damals zu Papier und vor Gott gebracht wurden, entsprechen auch den Gefühlslagen heute. „Meine Augen schauen auf zu den Bergen woher kommt mir Hilfe?“ heißt es in Psalm 121. Wer auch immer das genau aufgeschrieben hat - er muss verzweifelt gewesen sein, meint Wolfgang Picken, Stadtdechant in Bonn: „Uns geht es gerade nicht anders.“ Religiöse Gefühle zulassen, das könne in unserer Verzweiflung nützlich sein.

 

Psalm 121: Woher kommt mir Hilfe?

„Hallo und guten Morgen! Mein Name ist Wolfgang Picken und ich bin Stadtdechant in Bonn. Heute denke ich an Psalm 121 - da heißt es: „Meine Augen schauen auf zu den Bergen woher kommt mir Hilfe?“

Wer auch immer das genau aufgeschrieben hat - er muss verzweifelt gewesen sein. Hilfe in der Nähe hat es für ihn offenbar nicht gegeben. Also sieht er in die Ferne und erhofft sich von dort Rettung.

Uns geht es gerade nicht anders. Jeden Tag hören wir die neue Infektionszahlen, dann die Nachrichten von den vielen Toten in Italien und Spanien, Frankreich, die schrecklichen Fernsehbilder. Das beängstigt und lässt uns jetzt in Sorge fragen: Was kommt noch auf uns zu?

Die Stille da draußen auf den Straßen, diese radikale Veränderung unserer Normalität - alles das wirkt gespenstisch. Irgendwie ahnen wir, dass das so schnell nicht vorbei sein wird. Wir stehen beinahe unbeholfen und hilflos vor dieser Gefahr – wir, die wir sonst alles können: Zum Mond fliegen, Menschen klonen, digitalisieren. Man schaut verloren in die Ferne. „Meine Augen schauen auf zu den Bergen - woher kommt mir Hilfe?“ – ja, woher kommt Hilfe?

Im Psalm heißt es weiter: „Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er lässt deinen Fuß nicht wanken – er, der dich behütet, schläft nicht.“ Erst ehrliche Verzweiflung und dann Hoffnung, in die Weite sehen und Gott entdecken, wenn wir an Grenzen stoßen, auf etwas Größeres vertrauen.

Religiöse Gefühle werden heute ungewöhnlich. Aber sie zulassen, könnte in unserer Verzweiflung nützlich sein. Wer weiß? Vielleicht wird er auch unsere Hilfe sein - jetzt. Wir sollten es ausprobieren und zulassen.“

Wolfgang Picken von der katholischen Kirche für Augenblick mal

 

Psalm 121: Der Text (Einheitsübersetzung 2016)

Der Hüter Israels

„1 Ein Lied für die Wallfahrt. Ich erhebe meine Augen zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe? 2 Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde erschaffen hat. 3 Er lässt deinen Fuß nicht wanken; dein Hüter schlummert nicht ein. 4 Siehe, er schlummert nicht ein und schläft nicht, der Hüter Israels. 5 Der HERR ist dein Hüter, der HERR gibt dir Schatten zu deiner Rechten. 6 Bei Tag wird dir die Sonne nicht schaden noch der Mond in der Nacht. 7 Der HERR behütet dich vor allem Bösen, er behütet dein Leben. 8 Der HERR behütet dein Gehen und dein Kommen von nun an bis in Ewigkeit.“

 

Unser Gesprächspartner: Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant von Bonn und Pfarrer am Bonner Münster, Jahrgang 1967, studierte in Bonn, Rom und Köln Katholische Theologie, Philosophie sowie Politik- und Sozialwissenschaften. Er war Seminarist im römischen „Collegium Germanicum et Hungaricum“, war tätig bei Radio Vatikan und wurde nach Diakonat in Siegburg 1993 zum Priester geweiht. Nach Stellen als Kaplan in den Pfarreien St. Nikolaus, Bensberg und St. Joseph, Moitzfeld in Bergisch Gladbach wurde er 2004 in Politikwissenschaften promoviert und übernahm die Pfarrei der Katholischen Kirchengemeinde St. Andreas und Evergislus in Bonn-Bad Godesberg. Im sogenannten „Rheinviertel“ gründete er 2005 die „Bürgerstiftung Rheinviertel“, mit mehr als 1.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern eine der größten Bürgerstiftungen Deutschlands. Zahlreiche soziale Projekte, wie ein Kindergartennetzwerk mit vierzehn Kindertagesstätten, konnten seit der Gründung umgesetzt werden. 2008-2016 war Dr. Picken Dechant des Dekanats Bad Godesberg 2012, übernahm zudem die Pfarren St. Marien und St. Servatius, St. Martin und Severin, gründete 2015 den „Runden Tisch Flüchtlingshilfe Bad Godesberg“ und wurde 2019 als Stadtdechant von Bonn und Pfarrer der Münsterbasilika St. Martin zu Bonn eingeführt. Er ist Vorsitzender des Caritasrates Bonn, Vorstandsmitglied der „Münsterstiftung Bonn“ und Delegierter des Priesterrates im Erzbistum Köln für den synodalen Weg der Katholischen Kirche in Deutschland.

Kontakt: Dr. Wolfgang Picken, Stadtdechant, Stadtdekanat Bonn, Tel. 0228/98588-93, E-Mail: Stadtdekanat@kath-bonn.de, Internet: Katholisch-bonn.de.

Donnerstag, 02.04.2020 / Dr. Wolfgang PickenDr. Wolfgang Picken