Reformationstag 2020
Samstag, 31.10.2020
Reform heißt im Wortsinn eigentlich „Wiederherstellung“. Davon schrieb bereits der Völkerapostel Paulus in seinen Briefen, auch Martin Luther nahm das Wort auf. Was bedeutet das am „Reformationstag“ in diesem ganz besonderen Jahr?
INFO: Am 31.10.1517 soll Martin Luther 95 Thesen an die Türe der Wittenberger Schlosskirche geschlagen und damit die Reformation ausgelöst haben. Haben tatsächlich ein paar Hammerschläge die Spaltung der Kirche und den Beginn der Neuzeit eingeläutet? Über Jahrhunderte wurde in der Literatur wie auch in der Kunst das Bild des hammerschwingenden Luthers weitergegeben. Erst Anfang der 1960er Jahre kamen Zweifel an der Geschichte auf. So kam der katholische Kirchenhistoriker und Luther-Biograf Erwin Iserloh 1961 in seinem Buch „Luthers Thesenanschlag - Tatsache oder Legende?“ zu dem Schluss, dass der Reformator seine Thesen zunächst gar nicht öffentlich gemacht habe. Vielmehr habe er sie am 31.10.1517 in Briefform an zwei Bischöfe und später noch an weitere Würdenträger und Theologen verschickt. Luther wollte mit den Adressaten eine akademische Disputation – also ein Streitgespräch – über den Ablasshandel und weitere Missstände in der kirchlichen Praxis führen. Als aber weder der Erzbischof Albrecht von Mainz noch der Bischof von Brandenburg auf sein Schreiben reagierten, habe Luther seine Thesen und damit sein Anliegen schließlich öffentlich gemacht, so Iserloh und andere Historiker.
Nach wie vor gibt es aber auch Experten wie den Luther-Biographen Joachim Köhler, die den Thesenanschlag für möglich und wahrscheinlich halten. Zum einen, weil es in der damaligen Zeit gängige Praxis war, Aufrufe und Bekanntmachungen verschiedenster Art an Kirchentüren anzubringen. Zum anderen berufen sie sich auf die Aussagen zweier Weggefährten Luthers. Die eine stammt von Luthers Freund und Mitstreiter Philipp Melanchthon (1497-1560). Er schrieb 1546 in einem Vorwort über Luthers Werke: „Und diese (Thesen) schlug er (Luther) öffentlich an der Kirche neben dem Schloss an am Vorabend des Festes Allerheiligen im Jahr 1517.“ Als zweite historische Quelle wird eine erst im Jahr 2006 entdeckte Notiz von Georg Rörer gewertet, der als Sekretär für Martin Luther tätig war. In einem von dem Reformator selbst benutzten Neuen Testament berichtet auch Rörer in einer handschriftlichen Anmerkung über den Thesenanschlag: „Im Jahr 1517, am Vortag des Allerheiligenfestes, hat Doktor Martin Luther in Wittenberg an den Türen der Kirchen seine Ablassthesen bekannt gegeben“. Diese Notiz stammt aus dem Jahr 1540, wurde also noch zu Luthers Lebzeiten verfasst und gilt unter den Befürwortern des Thesenanschlags als ältester Beleg für den Wahrheitsgehalt der Geschichte.
Fakt aber ist und bleibt: Die von Martin Luther verfassten 95 Thesen gibt es wirklich, und ihr Wortlaut ist bis heute erhalten (eine Zusammenfassung gibt es hier, das lateinische Original hier und eine von Justus Jonas d.Ä. ins Deutsche übersetzte Fassung hier). In ihnen kritisiert Luther u.a. den damals üblichen Ablasshandel der katholischen Kirche. Die verkaufte seinerzeit Sündenvergebung und „einen Platz im Himmel“ gegen Geld, um damit z.B. päpstliche Bauwerke in Rom zu finanzieren. Mit seinen Thesen legt sich Luther mit den mächtigsten Herrschern der damaligen Welt an - Kaiser Karl V und Papst Leo X. Trotz Exkommunikation und Verfolgung bleibt er seinem Glauben treu: Sündenvergebung kann man nicht mit Geld erkaufen, man kann sie auch nicht durch gute Taten verdienen, und man braucht zur Sündenvergebung auch keine Kirche als vermittelnde Institution. Denn Gott allein vergibt Sünden. Der Mensch wird vor Gott gerecht - so Luther - allein aus Glaube, allein aus Gnade („sola fide, sola gratia“).
Indem er in nur elf Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte, prägte er nicht nur maßgeblich die Entwicklung der deutschen Sprache, sondern machte die Bibel und ihre Glaubenssätze zum ersten Mal der breiten Masse des Volkes zugänglich, die bis dahin auf die Interpretation der kath. Kirche angewiesen war. Obwohl Luther die Kirche nur reformieren aber zu keinem Zeitpunkt spalten wollte, hat seine Suche nach Wahrheit und seine Standhaftigkeit genau das bewirkt – das Zeitalter der Reformation ist die Geburtsstunde der evangelischen Kirche und wird dort bis heute mit einem Feiertag begangen (Reformationstag am 31.Oktober).