Region unter dem Kreuz
Mittwoch, 25.10.2023

Pater Nikodemus Schnabel, Abt der deutschsprachigen Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem, Foto: privat
Der Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel hat gezeigt: Uralte Konflikte, die nie wirklich gelöst wurden, haben schreckliche Konsequenzen. Und das weit über Israel hinaus. So sieht das auch Pater Nikodemus Schnabel in Jerusalem....
INFO: „Ich muss nach Hause", sagte sich Pater Nikodemus Schnabel, als Abt der deutschsprachigen Benediktinerabtei in Jerusalem gerade in Rom. Und reiste über Umwege wieder ins Heilige Land zurück. Mit gespenstischen Erfahrungen, aber auch der klaren Aussage: "Wir bleiben hier!". Dass inzwischen rund 1.000 Deutsche ausgeflogen wurden, verweist auf einen Umstand, der in der laufenden Berichterstattung bislang fast überhaupt keine Rolle spielt: Viele sind oder waren als Pilger im Land. Und bislang nicht berichtet: Unter den Toten sind auch Christen aus aller Welt, die dort als Migranten arbeiten. Die große Sehnsuchtsstadt der drei großen Weltreligionen muss offenbleiben für Begegnung, sagt Abt Nikodemus, für Dialog, brüderliches Miteinander. Hass darf in dieser Stadt und in der ganzen Region nicht das letzte Wort haben. Die Dormitio-Abtei bleibt offen - für alle, die sich nach Frieden sehnen.
Benediktinerabtei Hagia Maria Sion in Jerusalem: Zu den vielen Heiligen Stätten der Christen im „Heiligen Land“ gehören die Grabeskirche in Jerusalem, die Geburtskirche in Bethlehem, das Grab der Muttergottes, die Himmelfahrtskapelle und der sogenannte Abendmahlssaal, das aus dem 14. Jh. stammende sogenannte „Coenaculum“, unterhalb der südwestlichen Altstadt von Jerusalem gelegenen Zionsberg. Auf ihm gibt die internationale deutschsprachige Benediktinerabtei Hagia Maria Sion, die Dormitio-Abtei B.M.V. der ganzen Stadt ihre typische Silhouette. Der Klostername erinnert an „Mariä Heimgang“ (lateinisch: „Dormitio Mariae“) und befindet sich an der Stelle, wo nach kirchlicher Überlieferung das Letzte Abendmahl Jesu und die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel stattfanden.
Das ab 1906 gebaute Kloster steht auf einem Grundstück, das Kaiser Wilhelm II. dem Deutschen Verein vom Heiligen Land geschenkt hatte. Besiedelt wurde es durch Mönche aus der süddeutschen Abtei Beuron, 1910 wurde die Kirche geweiht, 1926 das Kloster zur Abtei erhoben. Von 1948 bis 1951 waren die Mönche ausquartiert, weil das Kloster nahe an der Grenze zwischen Israel und der - damals jordanischen - Altstadt lag. Seit Ende der 60er Jahre gewann die Abtei an Bedeutung, vor allem unter der Leitung des Trierers Laurentius Klein (1928-2002), Abt von 1969 bis 1979. Er begründete 1973 ein bis heute gefragtes ökumenisches Theologisches Studienjahr für Studierende aus dem deutschsprachigen Raum.
Zur Gemeinschaft gehören derzeit insgesamt 14 Brüder. Die Mönche engagieren sich im Gespräch der monotheistischen Religionen, besonders im jüdisch-christlichen Dialog, und fördern die Begegnung zwischen Deutschen, Israelis und Palästinensern. Der „Mount Sion Award“ wird alle zwei Jahre in der Dormitio-Kirche an Personen verliehen, die sich im Gespräch zwischen Christen, Juden und Muslimen verdient gemacht haben. Abt der Gemeinschaft ist der deutsche Benediktiner Nikodemus Schnabel (44).
Kontakt: Dormition Abbey, Mount Zion, P.O.B. 22 / 91000 Jerusalem, ISRAEL, mehr Infos zu den Benediktinern in Jerusalem: www.dormitio.net.
Gebetsaufruf von Papst Franziskus: Papst Franziskus hat die Konfliktparteien im Nahen Osten aufgerufen, eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden. Bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz sagte er am Mittwoch vor Zehntausenden Pilgern: „Die mögliche Ausweitung des Konflikts ist beunruhigend. Es sind schon so viele Kriegsfronten aufgebrochen. Mögen die Waffen schweigen!“ Weiter sagte Franziskus: „Der Krieg löst kein einziges Problem, er sät nur Tod und Zerstörung, er verstärkt den Hass und vervielfältigt die Rache. Der Krieg radiert die Zukunft aus!“ An die Katholiken appellierte der Papst, „in diesem Konflikt Partei zu ergreifen für den Frieden“. Den 27. Oktober rief Franziskus als weltweiten Tag des Fastens und Betens für den Frieden aus. Auch die Christen anderer Konfessionen, die Angehörigen anderer Religionen und alle friedliebenden Menschen seien aufgerufen, sich in geeigneter Weise daran zu beteiligen. Für den Petersdom in Rom kündigte er an, dass dort am 27. Oktober um 18 Uhr ein großes Friedensgebet gehalten werden solle. Die katholischen Bistümer auf der gesamten Erde forderte er auf, sich an diesem Gebet zu beteiligen.
Unser Gesprächspartner: Nikodemus Claudius Schnabel, 1978 geboren in Stuttgart, studierte nach dem Abitur 1998 am Fuldaer Domgymnasium an der Theologischen Fakultät Fulda, anschließend in Jerusalem, Münster und München. 2000/2001 Teilnehmer am Theologischen Studienjahr in der deutschsprachigen Abtei „Dormitio Beatae Mariae Virginis“ auf dem Jerusalemer Zionsberg, der er sich nach dem Studium 2003 als Mönch anschloss. Nach Profess 2004 und Weihe zum Diakon 2009 übernahm er 2011 die Leitung des 1908 gegründeten „Jerusalemer Institutes der Görres-Gesellschaft” (JIGG). Im September 2013 empfing er die Priesterweihe durch den Lateinischen Patriarchalvikar für Jerusalem, Bischof William Schomali. Promotion in Wien, am 2. Juli 2021 wurde er zum Patriarchalvikar für die Migranten und Asylsuchende des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem ernannt und am 3. Februar zum Abt gewählt. Die Abtsbenediktion fand an Pfingsten, 28. Mai 2023, statt.
Kontakt: Dormition Abbey, Mount Zion, P.O.B. 22 / 91000 Jerusalem, ISRAEL, Tel. Abtei: +972-2-5655-330, Fax Abtei: +972-2-5655-332, E-Mail: nikodemus.schnabel@gmail.com, Internet: www.dormitio.net, www.jigg.eu. Homepage: https://paternikodemus.de/, Instagram: https://www.instagram.com/paternikode... oder bei Facebook: https://www.facebook.com/nikodemussch...
Buchtipp: Pater Nikodemus Schnabel, Zuhause im Niemandsland. Mein Leben im Kloster zwischen Israel und Palästina, 176 Seiten, Verlag: Herbig; Auflage: 1 (14. September 2015), ISBN-10: 3776627441, ISBN-13: 978-3776627442. Hautnah spürt er als Mönch auf dem neutralen schmalen Streifen zwischen Israel und Palästina auch die seit Monaten wieder von vielen Seiten verstärkt ausgehende religiös motivierte Gewalt in Israel. Das Dormitio-Kloster auf „neutralem Gebiet“ dient als Begegnungsstätte der verschiedenen Religionen und ist Treffpunkt für Politiker, Diplomaten und Korrespondenten aus aller Welt – ideal für einen neuen Blick auf den Nahostkonflikt. Darauf spielt auch der Titel seines Buchs „Zuhause im Niemandsland“ an.
Die Benediktiner (lateinisch Ordo Sancti Benedicti, abgekürzt OSB, deutsch: Orden des Heiligen Benedikt) gelten als ältester Orden des westlichen Ordenslebens. Benannt ist er nach seinem Gründer Benedikt von Nursia (480-547), der einer weltlichen Karriere ein kontemplatives Leben vorzog und mit seiner Ordensregel das Motto „Ora et labora et lege“ (lateinisch: „Bete und arbeite und lies“) prägte. Drei Gelübde legen die Männer und Frauen ab, die sich den Benediktinern anschließen: „Stabilitas loci“ (Beständigkeit in der Gemeinschaft und Ortsgebundenheit des Mitglieds an ein bestimmtes Kloster), „Conversatio morum suorum“ (klösterlicher Lebenswandel), „Oboedientia“ (Gehorsam). Zurzeit gibt es weltweit rund 40.000 Mönche und Nonnen beziehungsweise Schwestern, die zur benediktinischen Ordensfamilie gehören. Zum Orden allgemein: www.benediktiner.de.
Benedikt von Nursia: 480 in der Nähe von Nursia/Umbrien geboren, begann Benedikt in Rom ein Studium, zog der weltlichen Karriere jedoch ein kontemplatives Leben in einer asketischen Gemeinschaft in Enfide vor. „Ora et labora - Bete und arbeite“ wurde das Motto seiner Ordensregel. Für die Gruppe, die sich ihm anschloss, entwickelte ein Konzept von Zucht und Maß: zölibatäres Leben, einfache Ernährung, feste Zeiten für Schlaf, Gebet, Lesung und Arbeit. Das Modell des monastischen Lebens für Benedikt war die Familie mit dem Abt als Vater und den Mönchen als Brüdern. Nach der Gründung von zwölf Klöstern in Subiaco im Aniotal, führte er 529 eine Gemeinschaft auf dem Montecassino in der Nähe von Neapel, wo er am 21. März 547 starb. Benedikt wurde berühmt durch seine Ordensregeln, auf deren Grundlage sich ein Mönchsorden, die Benediktiner, und ein Nonnenorden gründete. Wie Benedikt wurde auch seine Zwillingsschwester Scholastica heiliggesprochen. Von Papst Pius XII. wurde Benedikt zum „Vater Europas“ erklärt, von Paul VI. 1964 zum „Schutzpatron Europas“. Von ihm selbst stammt der Satz: „Keiner soll nach dem eigenen Nutzen streben, vielmehr soll jeder auf das bedacht sein, was für den andern gut ist.“ (Aus der Regel des hl. Benedikt)