Seelsorge im Gesundheitswesen
Freitag, 17.01.2025
Was ist „Spiritual Care“? Sie ist immerhin so wichtig, dass etwa die Klinikseelsorge in Münster diesen Namen angenommen hat. Studien zeigen, wie wichtig eine umfassende seelsorgerische Betreuung ist, wenn Menschen existenziellen Fragen gegenüberstehen …
INFO: (pbm/acl). Sie ist 21 Jahre jung, Studentin und hat den größten Teil ihres Lebens noch vor sich. Ganz anders als die Menschen, mit denen Wiebke Grunthal in den vergangenen drei Monaten gesprochen hat. Mehrere Stunden täglich hat die Münsteranerin, die im 8. Semester Medizin studiert, im Universitätsklinikum Münster (UKM) verbracht, und für ihre Doktorarbeit mit Menschen gesprochen, die in der letzten Phase ihres Lebens palliativ betreut werden. Ihr Ziel: Herausfinden, wie spirituelle Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten am Lebensende besser erfasst werden können. Mit ihren Ergebnissen hat Wiebke Grunthal Veränderungen angestoßen – unter anderem in der Klinikseelsorge des UKM, die sich künftig unter einem anderen Namen präsentiert.
„Ich fand es schon immer spannend, mich mit den existenziellen Fragen auseinanderzusetzen, die am Ende eines Lebens oft drängen“, erzählt Wiebke Grunthal. Schon im ersten Semester knüpfte sie über ein Seminar Kontakte zur Palliativstation, absolvierte dort 2021 zwei Praktika und entschied sich für ihre Doktorarbeit ebenfalls für den Bereich. „Mich spricht das ganzheitliche Kernprinzip der Palliativmedizin, das die vier Bedürfnisdimensionen physisch, psychisch, sozial und spirituell berücksichtigt, an“, erklärt die Studentin. Weil sich recht gut herausfinden lasse, welche Bedürfnisse ein Patient in den ersten drei Bereichen hat, um mehr Lebensqualität zu erlangen, konzentrierte sich die 21-Jährige auf die vierte Dimension.
Im engen Austausch mit Prof. Dr. Philipp Lenz, dem Ärztlichen Leiter der Palliativmedizin im UKM, und Dr. Leo Wittenbecher, dem leitenden Klinikpfarrer, entwickelte sie ihr Forschungsprojekt: In Gesprächen mit 100 Patienten wandte Wiebke Grunthal einen Fragenkatalog an, den sogenannten Spiritual Needs Questionnaire von Prof. Dr. Arndt Büssing von der Universität Witten-Herdecke. „Er enthält Fragen nach dem Bedürfnis, Kraftquellen und inneren Frieden zu finden oder sich selbst oder einer anderen Person zu vergeben“, nennt die Studentin Beispiele. Oftmals entwickelten sich daraus intensive Gespräche, die Wiebke Grunthal nicht missen möchte: „Es gab keinen Tag, an dem ich nicht aus dem Klinikum gegangen bin und dankbar war für das, was ich von Menschen in einer anderen, so besonderen Lebenssituation lernen durfte.“
„Begegnung ist der Schlüssel, um die Wirklichkeit des Spirituellen zu aktivieren“, ist aus Sicht von Wittenbecher ein zentrales Ergebnis der Studie. Sie habe gezeigt, dass – auch wenn die Frage nach einem spirituellen Bedürfnis im Erstgespräch verneint werde – durchaus ein Bedürfnis vorhanden sein kann, das sich erst im intensiven Gespräch zeige. Dies sei deshalb so wichtig, bestätigt auch der Ärztliche Leiter, weil Patientinnen und Patienten alle Kräfte mobilisieren möchten, um ein erfülltes Lebensende zu gestalten. „Die spirituelle Ebene ist deshalb eng mit der psychischen Gesundheit verknüpft“, weiß Lenz.
Wittenbecher ist es deshalb wichtig, die Bedeutung des multiprofessionellen Teams in der Palliativmedizin hervorzuheben: „Professionelle Seelsorge im Gesundheitswesen kann nur dort wirksam werden, wo sie mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeitet,“ sagt Wittenbecher – und begründet damit eine Umbenennung, für die Wiebke Grunthal mit ihrer Doktorarbeit den Anstoß gegeben hat: Die frühere Klinikseelsorge heißt künftig „Spiritual Care/Seelsorge am UKM“. Auch wenn Spiritualität hierzulande noch viele konfessionelle Aspekte aufweise, gelte es auch, den Blick zu weiten, um Ansprechpartner auch für jene zu sein, die sonst nicht auf uns zukommen.
Sowohl Wittenbecher als auch Lenz freuen sich über die Initiative der Studentin, die deutlich macht, dass die Begleitung am Lebensende ein gemeinsames Anliegen von Medizin und Seelsorge ist. „Besonders bemerkenswert finde ich, dass der Impuls von Frau Grunthal ausgegangen ist“, sagt der Ärztliche Leiter und räumt damit mit einem Vorurteil auf, junge Erwachsene würden sich wenig bis gar nicht mit dem Lebensende beschäftigen. Dass die Palliativmedizin im UKM künftig Teile des Fragebogens fest in den Ablauf für ein Erstgespräch mitaufnehmen wird, zeige die Qualität der Arbeit der Studentin, die bereits an anderer Stelle gewürdigt wurde: Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin in Aachen 2024 erhielt Wiebke Grunthal für ihr wissenschaftliches Poster eine Auszeichnung.
Spiritual Care Seelsorge am Universitätsklinikum Münster (UKM): Die evangelischen und katholischen Seelsorger*innen sind unabhängig von Religion oder Weltanschauung rund um die Uhr für Patient*innen, für deren Angehörige und auch für die Mitarbeitenden des UKM da. Katholische Gottesdienste: Samstags, 16.00 Uhr, in der Kapelle im Zentralklinikum auf Ebene 07 (West), Dienstags, 19.00 Uhr, in der Klinikenkapelle „Karl Leisner“ auf dem Tita-Cory-Campus; Evangelische Gottesdienste: Samstags (einmal monatlich), 16.00 Uhr, in der Kapelle im Zentralklinikum auf Ebene 07 (West), Videoandachten der evangelischen Klinikseelsorger*innen, gemeinsam produziert mit den Kolleg*innen der benachbarten Ev. Lukas-Kirchengemeinde gibt es auf deren Youtube-Kanal und Instagram-Kanal. Die Gottesdienste aus der Kapelle sind auch über den Hauskanal 1 zu empfangen. Klinikenkapelle „Seliger Karl Leisner“: In der Albert-Schweitzer-Straße 40 ist die Klinikenkapelle auf dem Tita-Cory-Campus zum Gebet und zum Verweilen oder zum Anzünden einer Kerze für besondere Anliegen ist die Klinikenkapelle tagsüber geöffnet. Der Gottesdienst findet dienstags um 19.00 Uhr statt. Gebetsraum für Muslimas und Muslime: Der neue Gebetsraum für Muslimas und Muslime befindet sich in der Domagkstraße 11 in den Räumen des Internationalen Patientenmanagements (2. Obergeschoss, Raum Nr. 120.234). Der Gebetsraum ist montags bis freitags zwischen 8.00 Uhr und 16.30 Uhr geöffnet.
Spenden: Kontoinhaber: Bistum Münster, IBAN: DE29 4006 0265 0002 0001 00, BIC: GENODEM1DKM, Verwendungszweck: Spende Klinikseelsorge UKM (Falls eine Spendenbescheinigung erwünscht, bitte hier auch die Postadresse angeben.)
Katholische Seelsorge am UKM: Albert-Schweitzer-Straße 40, 48149 Münster, Klinikpfarrer Dr. Leo Jan Wittenbecher, Kontakt: leo.wittenbecher@ukmuenster.de, +49 251 83-55971, Kontakt: seelsorge@ukmuenster.de. „kannste glauben“: Dr. Leo Wittenbecher berichtet im Podcast des Bistums Münster „kannste glauben“ von seiner Arbeit. Die Folgen des Bistums-Podcasts sind über www.kannste-glauben.de abrufbar. Evangelische Seelsorge am UKM: Albert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude D11, Anfahrt: Domagkstraße 11, 48149 Münster, https://www.ukm.de/seelsorge