SkF-Schuldnerberatung in Ibbenbüren

von Christof Beckmann

Dienstag, 22.10.2024

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SkF-Schuldner- und Insolvenzberaterin Bernadette Kleine setzt im Gespräch mit den Ratsuchenden auch auf deren wichtige Eigeninitiative. Foto: Michael Bönte / Caritas für das Bistum Münster © Foto: Michael Bönte

In über 800 Fällen hat die Schuldnerberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Ibbenbüren im Jahr 2023 Menschen in finanziellen Notlagen geholfen. Die Nachfrage steigt weiter. Doch: Es geht nicht nur um Zahlen ...

INFO: (IT.NRW). Im Jahr 2023 lebten in NRW 10,2 Prozent der Bevölkerung in Haushalten, die nach eigenen Angaben in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einmal in Zahlungsverzug bei Hypotheken- oder Mietzahlungen, Rechnungen von Versorgungsbetrieben oder bei Konsumenten- und Verbraucherkrediten geraten waren. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen als Statistisches Landesamt am 2. Oktober 2024 mitteilt, ist dieser Anteil gegenüber den Vorjahren gestiegen: 2021 hatte er noch bei 6,6 und 2022 bei 7,0 Prozent gelegen. Die größte Rolle spielten dabei Zahlungsrückstände bei Versorgungsbetrieben: Im Jahr 2023 lebten 6,9 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung in Haushalten, die ihre Rechnungen von Versorgungsbetrieben für Strom, Heizkosten oder Wasser nicht immer fristgerecht begleichen konnten. 2021 waren es noch 4,4 Prozent und 2022 waren es 5,0 Prozent gewesen. Über drei Prozent waren in den vorangegangenen 12 Monaten in Zahlungsverzug bei Hypotheken- oder Mietzahlungen - 2021 lag dieser Anteil noch bei 2,5 Prozent und 2022 bei 2,7 Prozent. Von Zahlungsrückständen bei Konsumenten- und Verbraucherkrediten waren 2023 insgesamt 4,4 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung betroffen. Auch dieser Wert hat sich gegenüber den Vorjahren erhöht: 2021 lebten noch 2,0 Prozent in Haushalten mit Zahlungsverzug bei solchen Krediten, 2022 waren es 2,5 Prozent. Weitere Ergebnisse rund um das Thema „materielle und soziale Entbehrung”.

Wie der der nichtrepräsentative Überschuldungsreport des Instituts für Finanzdienstleistungen meldet, sind erstmals mehr Menschen wegen Krankheit oder Sucht überschuldet als wegen Arbeitslosigkeit: Fast jeder fünfte Fall (18,4 Prozent) im Jahr 2023 habe gesundheitliche Ursachen gehabt; ein Jobverlust war der zweithäufigste Grund (17,5 Prozent). Weitere Probleme, die zu Überschuldung führten, waren demnach Scheidung beziehungsweise Trennung, Einkommensarmut sowie das Konsumverhalten. Fast jeder fünfte Ratsuchende ist laut Report mit einer Forderung aus Abzahlungskrediten konfrontiert. Hauptsächlich betreffe dies Ratenkredite, vor denen das Institut und auch die Verbraucherzentrale warnen. Gemeint sind zum Beispiel „Buy now, pay later“- Angebote, bei denen die Rechnung erst später beglichen werden muss. Die Verzugszinsen und Mahngebühren seien meist hoch; zudem falle es vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern schwer, den Überblick zu behalten. Die Studie basiert laut Angaben auf Daten von 114 Schuldnerberatungsstellen. Knapp 200.000 Beratungsfälle aus den Jahren 2008 bis 2023 seien dafür ausgewertet worden, davon fast 24.000 aus dem vergangenen Jahr.

Diese Beobachtungen macht auch die Schuldnerberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF)in Ibbenbüren. Sie half 2023 in über 800 Fällen Menschen in finanziellen Notlagen, berichtet die Caritas im Bistum Münster:

Ibbenbüren (cpm). Die Gespräche beginnen nicht selten mit Tränen der Ratsuchenden. „Ich kann nicht mehr“, hören die fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schuldnerberatung des Sozialdienstes der katholischen Frauen (SkF) in Ibbenbüren dann. Oder: „Ich bin am Ende.“ Die Ratsuchenden stehen tatsächlich oft am Ende eines langen Wegs in die Überschuldung. Der hat sie an den Rand ihrer Existenz gebracht hat und belastet sie emotional enorm.

„Schuld hat immer auch etwas mit Schuldgefühlen zu tun“, sagt Bernadette Kleine. „Diesen Leidensdruck kann ich ihnen nicht einfach so nehmen.“ Die Schuldner- und Insolvenzberaterin des SkF Ibbenbüren weiß aber, dass sie nicht einfach nur auf die Zahlen schauen darf. „Wir wollen die gesamte Situation in den Blick nehmen.“ Was waren die Auslöser? An welchen Punkten gab es Fehlentscheidungen? Welche Entwicklungen hatten Einfluss? Aber eben auch: „Welche persönlichen Ressourcen bringen die Ratsuchenden mit, um die Situation zu meistern und ihnen wieder Selbstwertgefühl zu geben?“

Die Wege bis zum ersten Kontakt mit der Beratungsstelle sind verschieden. Da gibt es den Handwerker, der akut seine Kreditraten für das Haus oder das Auto nicht mehr zahlen kann. Da gibt es die Familie, bei der sich über Jahre finanzielle Verpflichtungen angehäuft haben. Oder die Seniorin, die ihr bisheriges Leben mit ihrer kleinen Rente nicht mehr bezahlen kann. „Irgendwann gibt es dann einen Punkt, an dem die Betroffenen vor ihrer Situation nicht mehr weglaufen können“, sagt Bernadette Kleine. „Wenn sie keinen Dispo-Kredit mehr bekommen, Lebensmittel nicht mehr eingekauft werden können oder die Wohnung gekündigt wird, weil Mietzahlungen ausstehen.“

Es gibt Auslöser für die Überschuldung, die sich immer wieder finden. „Krankheit, Trennung oder Sucht“, sagt Bernadette Kleine. „Die können richtige Brandbeschleuniger sein.“ Gerät das Leben aus den Fugen, steigt die Gefahr, finanziell unter Druck zu geraten. „Gibt es bereits Vorbelastungen oder fehlt der soziale Rückhalt, kann es schnell zu Problemen mit den Verbindlichkeiten kommen.“

Wer zum SkF kommt, kann nicht einfach seine Situation abladen und hoffen, sie möglichst schnell über ein Insolvenzverfahren zu retten. „Es gibt viele Wege, aus der Überschuldung“, sagt Bernadette Kleine. „Gespräche mit Gläubigern, Suche nach Beihilfen, Umdenken im Umgang mit Geld …“ Wichtig ist den Mitarbeitenden des SkF, dass die Ratsuchenden den Willen zur Veränderung mitbringen, selbst an ihrer Situation arbeiten wollen. „Was würde es bringen, sie aus der akuten Lage zu befreien, sie aber danach wieder in der Überschuldung zu erleben, weil alte Mechanismen gegriffen haben.“

Die eigene Motivation der Klienten wird gleich zu Beginn des gemeinsamen Weges betont. „Voraussetzung ist, dass sie ihre finanziellen Belastungen selbst sortieren und uns vorlegen“, sagt die Schuldner- und Insolvenzberaterin. „Klassisch ist da die Plastiktüte, in der sie alle Briefe und Schreiben gesteckt haben, ohne sie zu öffnen – aus Angst und Überforderung.“ Die Plastiktüte ist manchmal auch eine Schublade oder ein Küchenschrank. Gemein ist diesen Orten, dass sich dort Rechnungen und Mahnungen türmen. „Sie können sie uns nicht einfach auf den Tisch schütten – erst wenn sie all diese einmal selbst in die Hand genommen und verstanden haben, beginnt unsere gemeinsame Arbeit.“

Und die geht oft über Wochen, manchmal Monate. Anträge, bürokratische Unterstützung, rechtliche Hilfen gehören dazu – manchmal ist es aber auch einfach nur das Gespräch, das Mut macht und den Klienten Druck nimmt. „Nicht selten hören wir dann einen befreienden Seufzer“, sagt Bernadette Kleine. In diesem ganzheitlichen Umgang mit der Situation sieht sie einen entscheidenden Unterschied zu anderen Schuldnerberatungen. „Dort wird oft nur auf die Zahlen geschaut, um das Insolvenzverfahren anzustoßen.“

657 laufende Beratungen hatte der SkF Ibbenbüren im vergangenen Jahr. Dazu kamen über 800 Kurzberatungen und Online-Kontakte. „Die Tendenz bei den Nachfragen ist steigend“, sagt Bernadette Kleine. „Die Wartezeiten für die Erst-Gespräche werden länger – liegen derzeit bei etwa acht Wochen.“ Das liegt in ihren Augen auch an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. „Der finanzielle Druck nimmt generell zu.“ Zudem sei das sich ändernde Kaufverhalten im Internet ein zunehmendes Problem. „Etwa: Jetzt kaufen, später zahlen – da kann man schnell die Übersicht verlieren.“ (Text: Michael Bönte)

Kontakt zur Schuldnerberatung des SkF in Ibbenbüren: Tel. 05451 / 96860 oder via E-Mail an: schuldnerberatung@skf-ibbenbueren.de

Dienstag, 22.10.2024