Start für Europa: Gregor der Große
Dienstag, 03.09.2019
Papst Gregor I. der Große (540-604) gilt als einer der größten Nachfolger des Hl. Petrus. Eines seiner weitsichtigsten Projekte: Er schickte Missionare nach England. Und Europa änderte sein Gesicht - nicht nur, was die Musik angeht...
INFO: Seit 50 Jahren liegt sein Gedenktag auf dem 3. September: Gregor I. der Große (540-604), der Mönche zur Mission nach England schickte – eines der weitsichtigsten Lieblingsprojekte dieses umtriebigen Papstes, der zu den bedeutendsten der Kirchengeschichte gehört. Was in der Debatte um den anstehenden „Brexit“ und die Rolle Englands für Europa oft nur allzu selten in den Blick gerät: Aus den zu Ende des 6. Jahrhunderts von Gregor zu den Angelsachsen und Kelten auf die Insel gesandten Missionaren entstand eine Bewegung, die innerhalb von mehr als drei Jahrhunderten den europäischen Kontinent entscheidend prägte.
„Weder die Beschwerlichkeit der Reise noch das Gerede tadelsüchtiger Leute soll Euch also abschrecken, sondern vollendet mit aller Anstrengung und aller Begeisterung, was Ihr auf Gottes Antrieb begonnen habt!“, schrieb der erste Mönch auf dem Papstthron an die 39 Missionare, die er im Jahr 597 mit Augustinus von Canterbury nach England sandte. (XV., Gesamtausgabe 51) In seinem Brief ermahnte der „Knecht der Knechte Gottes“ sie zu einem aktiven und kontemplativen Leben im Gleichgewicht von Gebet und Arbeit – so wie er es nach der Regel des von ihm verehrten Benedikt von Nursia selbst lebte: Gregor gilt als Patron des kirchlichen Schulwesens, der Bergwerke, des Chor- und Choralgesanges, der Sänger, Musiker, Maurer, Gelehrten, Lehrer, Schüler und Studenten.
Um 540 in Rom geboren, folgte er zunächst der Tradition seiner aristokratischen Familie, die im 5. Jahrhundert zwei der letzten weströmischen Kaiser gestellt hatte. Nach dem rhetorischen und juristischen Studium stieg der junge Politiker mit 30 Jahren bis zum Stadtpräfekt von Rom auf, entschied sich aber 575 zu einem Leben als Mönch. Seine Villa auf dem Monte Celio verwandelte er in ein bis heute zugängliches Benediktinerkloster, ging für Papst Pelagius II. 579 in diplomatischen Diensten nach Konstantinopel, wurde nach seiner Rückkehr 585 päpstlicher Berater und am 3. September 590 selbst zum Papst gewählt. Er zeigte sich bald als eminent politischer Papst, in dessen Amtszeit die Welt der Spätantike zusammenbrach: Fast 850 Briefe, die in 14 Büchern zusammengefasst sind, zeugen von seinen weitgespannten Kontakten nach Afrika, Kleinasien und in das sich neu formierende Europa mit den in Italien herrschenden Langobarden und Ostrom, aber auch den Frankenkönigen und den Angelsachsen. Bis zu seinem Tod am 12. März 604 legte er so das Fundament für den späteren Kirchenstaat und ein neues gesamtabendländisches Kirchenbewusstsein mit dem römischen Papsttum an der Spitze. Zugleich fanden seine zahlreichen Werke große Verbreitung und hatten einen großen Einfluss auf das Denken des gesamten Mittelalters, vielfältige erhaltene Predigten, Schriftauslegungen, Legendensammlungen sowie Regelbücher für Amtsführung und Liturgie zeugen von der Schaffenskraft des letzten der vier Kirchenväter.
Er war der erste, der den Begriff „Papst“ ausschließlich für den Bischof von Rom festlegte, nannte sich als erster Papst „Knecht der Knechte Gottes“ (servus servorum dei) - bis heute ist Bestandteil der päpstlichen Titulatur – und sein Grabstein trägt die Bezeichnung „Konsul Gottes“ (consul Dei). In großem Stil setzte er sich in seiner knapp 14-jährigen Amtszeit für die Fürsorge der Armen in der Stadt Rom ein, ließ für sie große Ländereien der Kirche bewirtschaften und forderte dies auch von anderen Bischöfen. Obwohl die Gläubigen selbst schon bald nach seinem Tod für zahlreiche Legenden sorgten, wurde Gregor erst 1295 durch Papst Bonifatius VIII. heiliggesprochen. Dass auf ihn der Gregorianische Choral zurückgeht, ist eine Legende aus dem Mittelalter, doch gab Gregor dem katholischen Messbuch mit großer Wahrscheinlichkeit die noch heute gültige Form. 1969, vor 50 Jahren, wurde sein Gedenktag auf den 3. September gelegt, den Tag seiner Wahl zum Papst 590. In seinem Andenken stiftete Papst Gregor XVI. mit dem Breve „Quod summis quibusque“ am 1. September 1831 den Orden des heiligen Gregor des Großen, kurz „Gregoriusorden“, der als Auszeichnung „für Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion“ an Laien vergeben wird. Der vierthöchste Orden für Verdienste um die römisch-katholische Kirche wurde 1993 durch Papst Johannes Paul II. erneuert und damit seitdem auch an Frauen verliehen.
Frühes Christentum in England: Die seit dem römischen Britannien bestehenden kleinen Christengemeinden waren mit den Eroberungszügen und Landnahme der Angeln und Sachsen stark unter Druck geraten. Erst die Taufe von König Aethelbert I. von Kent zu Pfingsten 597 änderte das. Mit ihrem König ließen sich Tausende ebenfalls taufen, wie der Missionar Augustinus von Canterbury an Papst Gregor berichtete. Die entstehende Kirche verband sich mit der Klosterkultur in Irland, die dort ungestört von der Völkerwanderung seit der Mission des Hl. Patrick (389-461) aufgeblüht war. Seitdem strömten unzählige oft namenlos gebliebene Wandermönche auf den Kontinent, wo sie als Einsiedler oder in Gemeinschaften lebten. In zwei großen Wellen landeten sie vom 6. bis zum 11. Jahrhundert an den französischen Küsten und kamen bis Galicien, erreichten das Elsass, bereits 563 St. Gallen in der Schweiz, aber auch Österreich und Oberitalien. Entlang der großen Flüsse siedelten sich in Köln und anderen Orten Süddeutschlands in Schottenklöstern an, gingen aber auch in die undurchdringlichen Landschaften rechts des Rheins. Ab dem 7. Jahrhundert missionierten sie in Hessen und errichteten zur Mitte des 8. Jahrhunderts mit dem hl. Bonifatius (*um 673-754) neue Bistümer und Kirchenstrukturen in Deutschland. Aus Irland und England stammende Mönche und Gelehrte reformierten am Hof Karls den Großen (742-814) in Aachen, die Bildung, Schrift, Verwaltung, Kunst und Kultur.
Buchtipp: Lutz E. von Padberg, Christianisierung im Mittelalter. Hrsg. WBG Darmstadt, Lizenzausgabe K. Theiss Verlag Stuttgart, 2006, ISBN 3-8062-2006-9.