Vor 50 Jahren: Papst schreibt nach Mönchengladbach
Mittwoch, 11.09.2024
Großer Auflauf in Mönchengladbach vor 50 Jahren: Der 84. Deutsche Katholikentag am Niederrhein markierte eine klare Ausrichtung für die Welt von morgen. Und auch der Papst schrieb den Christen einiges ins Stammbuch. Pfarrer Albert Damblon erinnert sich …
INFO: 1974 ereigneten sich gleich drei große Ereignisse in der Stadt: Es gab die Heiligtumsfahrt und das Münster wurde durch Papst Paul VI. anlässlich der 1000 Jahr-Feier der Abteigründung zur Päpstlichen Basilika Minor erhoben. Und: Mönchengladbach war Gastgeber des 84. Deutschen Katholikentages.
Papstschreiben nach Mönchengladbach 1974: „… Das Leitwort eures diesjährigen Katholikentages «Für das Leben der Welt» ist ein feierliches Bekenntnis zum besonderen Weltauftrag der Kirche, den sie von ihrem göttlichen Stifter empfangen hat. Christus ist dazu in die Welt gekommen, daß die Menschen das Leben haben und es in Fülle haben (Cfr. Io. 10, 10). Da ihn des Volkes erbarmte, hat er die Volksscharen nicht nur auf wunderbare Weise mit irdischer Speise gesättigt, sondern sogar sein eigenes Fleisch als Brot «für das Leben der Welt» (Io. 6, 51) dahingegeben. Ebenso hat die Kirche ihren Heilsauftrag zu keiner Zeit nur auf das übernatürliche Leben beschränkt.
Die Verkündigung der Frohbotschaft war stets begleitet von der helfenden Tat des selbstlosen christlichen Bruderdienstes. Das Bild, das die Kirche gerade heute von sich der Welt darbietet, ist ausgesprochen das einer Kirche im Dienst der Menschen.
Der Dienst der Kirche für die Welt ist um so dringlicher in einer Zeit, da die Formen des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenlebens so tiefgreifende Veränderungen erfahren, wo so viele tragische Ereignisse weithin den Menschen bedrängen und so viele unserer Brüder auf die grundlegenden Fragen des Lebens keine Antwort mehr finden. Eine in der heutigen technischen Gesellschaft zunehmend um sich greifende Zerrüttung der menschlichen Grundwerte untergräbt nicht nur die Fundamente der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung, sondern bedroht den Menschen selbst in seiner innersten Würde und der ihm von seinem Schöpfer zuteil gewordenen sittlichen und übernatürlichen Berufung.
Der 84. Deutsche Katholikentag in Mönchengladbach mit seinem Aufruf zu einem erneuerten und verstärkten christlichen Einsatz «für das Leben der Welt» steht also mitten in der aktuellen Problematik unserer Zeit. Nicht nur die Kirche als Ganzes, sondern auch jede Teilkirche und jeder einzelne Katholik sind heute mehr denn je verpflichtet, zu diesem dringlichen und umfassenden Weltapostolat im Dienst am Menschen und in der Gesellschaft ihren konkreten Beitrag zu leisten. «Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt», sagt das Konzil, «versäumt damit seine Pflichten gegenüber dem Nächsten, ja gegen Gott selbst und bringt sein ewiges Heil in Gefahr» (Gaudium et Spes, 43). … (BOTSCHAFT VON PAPST PAUL VI. aNLÄssLICH DES 84. «DEUTSCHEN KATHOLIKENTAGES» IN MÖNCHENGLADBACH, Freitag, 13. September 1974: https://www.vatican.va/content/paul-vi/de/speeches/1974/documents/hf_p-vi_spe_19740913_katholikentag.html)
1050 Jahre Münsterbasilika St. Vitus: Die im 11. Jahrhundert von einem unbekannten Mönch verfasste Gladbacher Gründungsgeschichte berichtet, dass Erzbischof Gero von Köln um 974 nach seiner Rückkehr aus Konstantinopel auf dem Gladbacher Hügel eine Abtei gründete. Er stellte sie unter den Schutz des Heiligen Geistes, der Gottesmutter Maria sowie des Märtyrers Vitus. Das auf eine um 800 gebaute ältere Kirche zurückgehende Münster St. Vitus, zwischen 1024 und 1067 erweitert, war bis zur Auflösung der Benediktinerabtei Gladbach im Jahr 1802 die Abteikirche.
Unter Abt Sandrad wurde die neue Abtei Gladbach mit einem bedeutenden Reliquienschatz ausgestattet, der erstmals um 1275 schriftlich dokumentiert wurde. Es handelt sich u.a. um ein Stück Stoff, das als Teil vom Tischtuch des Abendmahlssaales gilt, sowie um ein Stück, das als Teil des Purpurmantels Jesu verehrt wurde, verschiedene Bruchstücke von Geschirren, die beim Abendmahl verwendet worden sein sollen. Hinzu kommen Textilien, die als Teile von Gewändern Mariens und des Evangelisten Johannes bezeichnet werden. Eine wichtige Rolle spielt auch das so genannte Haupt des hl. Laurentius, ein großes Stück von einer menschlichen Schädeldecke, das im 15. Jahrhundert zum ersten Mal schriftlich erwähnt wird. Ende des 16. Jahrhunderts entbrannte um diese Reliquie ein heftiger Streit mit König Philipp II. von Spanien, der nahe bei Madrid den „Escorial“ als Kirche, Kloster, Palast und Grabmal baute und dem hl. Laurentius weihte. Doch trotz päpstlicher Unterstützung gelang es ihm nicht, die Reliquie aus Gladbach zu erhalten, weil die Äbte ihren Schatz verteidigten.
Die jährliche öffentliche Zeigung der Heiligtümer ist 1456 bezeugt, 1594 ist für das Münster von einem siebenjährigen Rhythmus die Rede. 1797 fand die Heiligtumsfahrt zum letzten Mal statt: 1802 löste die Säkularisation das Kloster auf und die Reliquien wurden erst 1804 wieder in das Münster gebracht und 1824 gezeigt. 1867 nahm man mit erzbischöflicher Erlaubnis die Tradition der Heiligtumsfahrt wieder auf, Schritt für Schritt begann die Neubeschaffung kostbarer Behältnisse (Abendmahlsschein, Büste des hl. Vitus, Laurentiusbüste). Bis 1937 fand die Heiligtumsfahrt in siebenjährigem Turnus statt, 1944 legten die Bomben das Münster in Trümmer. Ab 1951 gab es wieder eine Heiligtumsfahrt. 1974 wurde die Kirche von Papst Paul VI. anlässlich des 84. Deutschen Katholikentages in Mönchengladbach und der 1000-Jahr-Feier der Abteigründung zur päpstlichen Basilica minor erhoben. Am 16. Juni 2024 wurde zum 50-jährigen Jubiläum am Münster eine Plakette angebracht. Zudem feierte die Pfarre St. Vitus den gleichnamigen Heiligen, dessen Gedenktag am 15. Juni ist.
Öffnungszeiten Münster: Dienstag bis Freitag 10.00 - 18.00 Uhr (November bis Februar bis 17.00 Uhr).
Montags bleibt das Münster geschlossen, samstags und sonntags ist das Münster zu den Gottesdienstzeiten geöffnet (samstags um 18:15 Uhr und sonntags um 11 Uhr).
Unser Gesprächspartner: Pfarrer Dr. theol. Albert Damblon, Jahrgang 1947, Dr. theol., geboren 1947 in Aachen; 1979 1984 Pfarrer in der Eifel; 1980 1995 Dozent für Homiletik am Priesterseminar Aachen, 1985 1995 Dozent für Homiletik am Studienhaus Lantershofen; gleichzeitig seit 1984 Pfarrer in Mönchengladbach, von 2003 bis 2013 Propst der Münsterbasilika in Mönchengladbach.