Vor 65 Jahren: Papst Johannes XXIII.

von Christof M. Beckmann

Samstag, 28.10.2023

Papst Johannes XXIII. (1958-1963), Collage: KIP
Beitrag anhören

Papst Johannes XXIII. (1958-1963), Collage: KIP

Es kommt anders als man denkt. Der 28. Oktober vor 65 Jahren jedenfalls sorgte für eine handfeste Überraschung. Erst nach vier Tagen stieg damals der sprichwörtliche „Weiße Rauch“ auf. Und Papst Johannes XXIII. wurde alles andere als ein Übergangspapst ….

INFO: Papst Johannes XXIII. (1958-1963), geboren am 25. November 1881 in Sotto il Monte, Provinz Bergamo, wuchs als Angelo Giuseppe Roncalli mit zwölf Geschwistern in einer Bauernfamilie auf. Der Gemeindepfarrer erkannte sein Talent und er wurde 1892 Vorbereitungsseminar in Bergamo aufgenommen. Nach Militärdienst in der italienischen Armee studierte er in Rom, wurde zum Dr. theol. promoviert und 1904 zum Priester geweiht. Bis 1914 wirkte Roncalli als Bischofssekretär in Bergamo, lehrte dort Kirchengeschichte am Seminar und erlebte 1915 bis 1919 als Militärseelsorger die Schrecken des Ersten Weltkriegs mit. Er war Jugend- und Studentenpfarrer, ab 1921 Chef der Päpstlichen Missionswerke in Italien in Rom und unternahm auch Reisen nach Aachen und Köln. Ab 1925 wirkte er als Vatikandiplomat, zunächst in Bulgarien, ab 1934 als Erzbischof in der Türkei und Griechenland und konnte während des Zweiten Weltkriegs Juden zur Flucht aus dem besetzten Ungarn verhelfen. 1944 ging er als Apostolischer Nuntius nach Frankreich, wurde 1953 von Papst Pius XII. zum Kardinal und Patriarchen von Venedig ernannt und 1958 als sein Nachfolger zum 261. Papst gewählt. Wegen seiner Volksnähe und humorvollen und bescheidenen Art nannte man ihn auch „il Papa buono“ („der gute Papst“), vielen galt er als Übergangspapst.

Doch überraschend kündigte Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils an, das ab dem 11. Oktober 1962 im zur Konzilsaula umgebauten Petersdom tagte. Das Ziel: Ein „Aggiornamento“ (= „Aktualisierung“) der katholischen Kirche, die er an der Schwelle einer neuen Epoche sah. Den Abschluss nach vier Sitzungsperioden am 8. Dezember 1965 erlebte Johannes XXIII. nicht mehr: Er starb am Pfingstmontag, 3. Juni 1963, an einem Krebsleiden und wurde in den Vatikanischen Grotten beigesetzt.

Sein Nachfolger Kardinal Giovanni Battista Montini (1897–1978), der den Papstnamen Paul VI. annahm, führte das Konzil 1965 zu Ende, dass mit seinen Beschlüssen zahlreiche Veränderungen und eine noch nie dagewesene Öffnung zur Welt brachte. Zum Wirken in der fünfjährigen Amtszeit von Johannes XXIII. gehören die Reform der Kurie, die Abschaffung alter Riten im Vatikan, die Gründung des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen, ein neues Verhältnis zu den Vereinten Nationen, die Entspannung mit den kommunistischen Machthabern im Osten und ein starker Einsatz für den Frieden (Kubakrise, Enzyklika Pacem in terris), gegen den Rüstungswettlauf und einen Atomkrieg. Sein Geistliches Tagebuch und seine Schrift über die Gelassenheit gehören zu den verbreiteten Schriften.

Schon sieben Jahre nach seinem Tod wurde das Verfahren zu seiner Seligsprechung eröffnet. Nach seiner Seligsprechung 30 Jahre später, am 3. September 2000 durch Papst Johannes Paul II., ruht sein unverwester Leichnam im Petersdom in einem gläsernen Reliquienschrein, nahe am Grab des Apostels Petrus. Ohne den sonst üblichen Nachweis eines Wunders sprach Papst Franziskus seinen Vorgänger Johannes XXIII. am Weißen Sonntag, 27. April 2014, von rund einer Million Menschen heilig. Sein Gedenktag in der römisch-katholischen Kirche ist der 11. Oktober, an dem 1962 das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet wurde.

Das Zweite Vatikanischen Konzil (1962-1965): Die bislang letzte beschlussfassende Versammlung aller Bischöfe der katholischen Weltkirche war das 21. ökumenische Konzil der damals 654 Millionen Mitglieder zählenden katholischen Kirche. An den Sitzungen nahmen auch mehr als 100 Beobachter nichtkatholischer Kirchen und Gemeinschaften teil. Eine besondere Rolle spielten beim Konzil die deutschsprachigen Teilnehmer: Zu ihnen gehörten u.a. die deutschen Kardinäle Josef Frings (Köln), Julius Döpfner (München) und Augustin Bea (Vatikan) oder theologische Berater wie Hubert Jedin, Joseph Ratzinger und Hans Küng. Rund 2.800 Konzilsväter - Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe - debattierten im Petersdom darüber, wie die Kirche ihre Botschaft unter den Bedingungen der modernen Welt und von weltanschaulichem Pluralismus verkünden kann. Weitere Themen waren eine Reform von Liturgie und Priesterausbildung, die Einheit der Christen und die Aussöhnung von Kirche und Judentum. Die dreijährige Versammlung führte zu tiefgreifenden Veränderungen: Aus der Konstitution über die Liturgie erwuchs etwa die 1970 umgesetzte Reform des Gottesdienstes sowie die Einführung der Volkssprache. Diese Reform wurde besonders von Traditionalisten kritisiert und führte später zu Abspaltungen. Folgen waren aber auch ein verstärktes Selbstbewusstsein der Ortsbischöfe gegenüber Rom, aber auch von Laien gegenüber Bischöfen. Auch eine Bewusstwerdung von Weltkirche und eine ökumenische Öffnung gehörten dazu.

Die bereits während des Konzils sichtbaren kirchenpolitischen Spannungen zwischen den unterschiedlichen Flügel setzen sich bis heute fort. Im Oktober 2021 setzte Papst Franziskus einen weltweiten Synodalen Weg für die mehr als 100 nationalen und regionalen katholischen Bischofskonferenzen der heute rund 1,3 Milliarden Mitglieder zählenden Weltkirche in Gang, der bei einer abschließenden Bischofssynode ab Oktober 2023 endgültig beraten soll.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Texte und Materialien: 50 Jahre II. Vatikanisches Konzil - Diözese Rottenburg Stuttgart

Ansprache Papst Johannes XXIII. zur Eröffnung: In seiner Ansprache „Gaudete Mater Ecclesia“ erläuterte Johannes XXIII. die Zielsetzung des Konzils vor rund 2.500 Bischöfen und 1.200 Journalisten – hier zum vollständigen Text: In seiner Rede sagte er u.a.:

„Ehrwürdige Brüder, heute jubelt die heilige Mutter Kirche, denn die göttliche Vorsehung hat ihr den ersehnten Tag geschenkt, an dem das II. Vatikanische Ökumenische Konzil hier beim Grabe des heiligen Petrus seinen Anfang nimmt. wird. (...) In der täglichen Ausübung Unseres Hirtenamtes dringen bisweilen betrübliche Stimmen an Unser Ohr, die zwar von großem Eifer zeugen, doch nicht von übermäßigem Sinn für Klugheit und für das rechte Maß zeugen. Sie sehen in den modernen Zeiten nur Unrecht und Niedergang. Sie sagen ständig, unsere Zeit habe sich im Vergleich zur Vergangenheit dauernd zum schlechteren gewandelt. Sie betragen sich, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt, die doch Lehrmeisterin des Lebens ist, und als ob zur Zeit der früheren Konzilien alles nur im vollen Triumph der christlichen Lehre, des christlichen Lebens und der rechten Freiheit des Glaubens vor sich gegangen sei. Doch Wir können diesen Unglückspropheten nicht zustimmen, wenn sie nur unheilvolle Ereignisse vorhersagen, so, als ob das Ende der Welt bevorstünde. In der gegenwärtigen Weltordnung führt uns die göttliche Vorsehung vielmehr zu einer neuen Ordnung der Beziehungen unter den Menschen. Sie vollendet so durch das Werk der Menschen selbst und weit über ihre Erwartungen hinaus in immer größerem Maß ihre Pläne, die höher sind als menschliche Gedanken und sich nicht berechnen lassen - und alles, auch die Meinungsverschiedenheiten unter den Menschen, dienen so dem größeren Wohl der Kirche. (...) Wir haben aber nicht allein die Pflicht, diesen kostbaren Schatz zu hüten, gleich als ob uns allein die Vergangenheit beschäftigte. Wir müssen uns vielmehr mutig und ohne Furcht an das Werk machen, das unsere Zeiten erfordern. So führen wir den Weg weiter, den die Kirche seit 20 Jahrhunderten geht ...“.

Mondschein-Rede: Die berühmt gewordene „Mondschein-Rede“ von Papst Johannes XXIII. am Eröffnungstag des Konzils gehört zu den großen Momenten seines Pontifikats. Er hielt sie spontan zum Abschluss eines Fackelzugs der Katholischen Aktion der römischen Gemeinden vom Fenster seines Arbeitszimmers aus, sprach über die Öffnung der Kirche zur Welt und Einheit aller Christen und der ganzen Menschheit.

Samstag, 28.10.2023