Pressemitteilung

Mitfühlen - mit wem?

Von Sarah Vecera (ev.). Eltern-WhatsApp-Gruppen für die Schule oder den Verein. Sarah Vecera erzählt, wie diese Chatgruppen nicht nur nerven, sondern auch zu einem besseren Miteinander und zu gegenseitiger Unterstützung beitragen.

  • 29.10.2025
  • Max Testermann (Redakteur)


Gestern Abend im Elternchat. Zwei Meldungen: „Ich schaffe es heute nicht pünktlich – Spätschicht, Betreuung klappt nicht.“ Und: „Kann jemand das Formular erklären? Ich verstehe nicht alles.“

Bei der Spätschicht-Nachricht bin ich sofort weich – klar, Alltag jonglieren, kenn ich als Mama. Und bei der zweiten Nachricht? Die berührt mich noch mal anders, weil das mein Vater hätte sein können, der vor Behörden-Deutsch stand und sagte: „Ich verstehe das nicht.“ Was ich bei beiden Nachrichten empfinde, nennt man Empathie – Mitgefühl.

Aber: Meine Empathie ist nicht neutral. Sie folgt Geschichten, die mir vertraut sind – Familie, Sprache, Humor. Und manchmal stolper‘ ich, wenn Menschen anders klingen, anders schreiben, andere Codes haben. Das ist nicht „mein Fehler“, das sind gelernte Muster – Bilder, Sprüche, Gewohnheiten schieben mit. Wichtig ist: Ich kann das verändern.

Ich schreibe in den Chat nichts Großes, eher Handwerk: „Sollen wir die wichtigsten Infos in einfacher Sprache pinnen – und, wenn möglich, zweisprachig? Ich mache heute einen Entwurf, wer übernimmt nächste Woche?“ Keine Heldinnentat. Nur die Frage: Wie wird aus Empathie Praxis – für mehr als einen Moment?

Auf dem Sofa denke ich weiter: Mit wem fühle ich schnell mit, wem spreche ich Kompetenz zu, wem nicht – und warum? Wie machen wir das „Wir“ größer – ohne dass jemand uns erst ähneln muss, um gesehen zu werden? Für mich heißt das: weniger Insiderdeutsch, klare Zuständigkeiten, Übersetzungs-Tandems, Abläufe, die Menschen mit verschiedenen Wegen hierher mitdenken. Empathie ist keine Romantik; sie ist eine Entscheidung, Strukturen mitzubewegen.

Gerade in Zeiten, in denen viel über Migration geredet wird: Empathie ist nicht nur nett zu Fremden sein. Empathie ist, mich selbst zu erinnern, woher ich komme – und daraus Konsequenzen zu ziehen. Nicht beschämen, nicht belehren. Prüfen. Anpassen. Teilen.

So wird Empathie vom Bauchgefühl zum Kompass. Einer, der sich ausrichtet an Würde – nicht an Ähnlichkeit.

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Dies ist ein Beitrag der evangelischen Redaktion PEP für die Verkündigungssendung "Augenblick mal" im NRW-Lokalfunk. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: Julia-Rebecca Riedel | Ev. Rundfunkreferat NRW | Kirche im Privatfunk | Tel.: 0151 - 57417207 | Mail: riedel@rundfunkreferat-nrw.de
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